Bild: Rentner muss in Apotheke bluten APOTHEKE ADHOC, 19.04.2017 14:55 Uhr
Wenn Heinz Hoffmann seine Blutdrucktabletten holt, dann steigt sein Blutdruck. Der Grund sind die massiven Aufzahlungen, die der 85-Jährige leisten muss. „Wahnsinn, was uns Patienten zugemutet wird“, macht er seinem Ärger in der Bild-Zeitung Luft.
Wenn Hoffmann in der Apotheke zum Geldbeutel greife, dann „packt ihn die Wut“ schreibt Bild. „Um 38 Prozent hat sich für mich als Patient der Preis erhöht: Statt 59,01 zahle ich neuerdings 81,81 Euro zu – Wahnsinn.“
Der Grund: Hoffmann lässt sich das Altoriginal Diovan (Valsartan) verordnen. „Vom Ersatzmedikament Valsartan trocknen mir die Schleimhäute aus, da bekomme ich Nasenbluten“, wie er gegenüber Bild erklärt. Der Hersteller Novartis hat aber seinen Preis nicht nur nicht auf Festbetrag abgesenkt, sondern jetzt sogar angehoben: Statt 87 kostet die Großpackung Diovan protect 160 mg jetzt 110 Euro. Der Festbetrag liegt nach wie vor bei 28 Euro.
Auch die Apotheken hätten draufgeschlagen, schreibt Bild. Das stimmt natürlich nur bedingt: Weil der Hersteller seinen Preis um 18 Euro und damit um 30 Prozent erhöht hat, steigt die Großhandels- und Apothekenmarge um je knapp 60 Cent und damit um 22 beziehungsweise 5 Prozent. Abschläge sind dabei nicht berücksichtigt.
Die Krankenkasse des Rentners, die Knappschaft Bahn-See (KBS), war gegenüber der Bild um Aufklärung bemüht: Aktuell seien 19 entsprechende Generika im Handel, für die keine Mehrkosten anfielen. Basics, AbZ und Heumann seien Rabattpartner; geeignet sei womöglich auch das Generikum von Hexal: Das Produkt stimme hinsichtlich Begleitstoffen, Bedruckung der Tablette sowie Optik mit dem Original des Mutterkonzerns Novartis überein. Die Produktidentität sei von den Herstellern sogar bestätigt worden.
Der Arzt habe die Möglichkeit, Valsartan Hexal 160 mg mit einem Aut-idem-Kreuz zu verordnen und somit den Austausch in der Apotheke gegen einen Rabattvertragspartner auszuschließen, so die KBS. Als Kasse dürfe man laut Urteil des Bundessozialgerichts die Mehrkosten nur in extremen Ausnahmefällen übernehmen.
Das BSG hatte 2012 entschieden, dass nur dann die gesamten Kosten inklusive Aufzahlung zu erstatten sind, wenn nach indikationsgerechter Nutzung mit allen infrage kommenden Festbetragsmedikamenten eine „objektiv nachweisbare zusätzlich behandlungsbedürftige Krankheit oder eine behandlungsbedürftige Verschlimmerung einer bereits vorliegenden Krankheit“ eintritt.
Die Verschlechterung muss nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Vollbeweis gesichert sein; allein das subjektive Empfinden des Patienten reicht nicht. Der Arzt muss das Festbetragspräparat tatsächlich verordnet und der Patient es über einen therapeutisch relevanten Zeitraum hinweg auch in vorgeschriebener Weise angewendet haben.
Der Kausalzusammenhang muss überwiegend wahrscheinlich sein. Die Anwendung des nicht zum Festbetrag verfügbaren Festbetragsarzneimittels muss ohne vergleichbare Nebenwirkungen bleiben. Die Nebenwirkung muss vom Arzt auch an den Hersteller gemeldet sein, das Unternehmen muss außerdem Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
In dem damaligen Fall ging es um Sortis (Atorvastatin). Der Fall ging zur Prüfung zurück an das Sächsische Landessozialgericht (LSG), wo die Richter zugunsten der AOK Plus entschieden. Die Patientin hatte Sortis seit 1999 eingenommen. Als sie von März bis Juni 2005 Pravastatin einnahm, traten zunehmend Muskelverspannungen, Verdauungsstörungen, Haarausfall und Katarakt auf. Auch die Blutfette verschlechterten sich. Die Richter hatten Zweifel an der Alternativlosigkeit von Sortis. Nicht alle Wirkstoffe der Festbetragsgruppe seien getestet worden. Auch die Ursachen der Nebenwirkungen seien nicht geklärt.