Massenabmahnung

Apothekerin als „Abmahnvehikel“

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Berlin -

Die Hamburger Apothekerin Carola Gonzalez hat in großem Umfang Onlinehändler abgemahnt. 2013 wurde ihr Vorgehen von den Gerichten als rechtsmissbräuchlich eingestuft. In einer neuen Abmahnwelle habe sie wieder rechtsmissbräuchlich abgemahnt, entschied nun das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (OLG). Profitiert von den Massenabmahnungen hat aus Sicht des Gerichts der Rechtsanwalt der Apothekerin.

Im Mai 2014 ließ Gonzalez elf Onlinehändler über ihren Rechtsanwalt Patrick Richter abmahnen: Sie sollen das Nahrungsergänzungsmittel „Urovit Cranberry Pulver“ unzulässig mit Health Claims beworben haben. Mit der Werbung sei nahegelegt worden, dass Cranberry-Produkte die Harnwegsgesundheit förderten. Gonzalez forderte Unterlassungserklärungen und die Erstattung der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils knapp 1000 Euro. Alle elf Händler gaben Unterlassungserklärungen ab; einer weigerte sich jedoch, die Abmahngebühren zu zahlen.

Gonzalez zog daraufhin gegen den Anbieter vor Gericht, um die Gebühr einzutreiben. Das Landgericht Hamburg (LG) urteilte jedoch, dass die Apothekerin in ihren Abmahnungen rechtsmissbräuchlich vorgegangen sei und verurteilte sie im April 2015 dazu, der Gegenseite die Anwaltskosten in Höhe von etwa 550 Euro zu erstatten. Dagegen legte Gonzalez Revision ein. Der Fall wurde vor dem OLG verhandelt.

Die Apothekerin hatte schon zuvor Massenabmahnungen ausgesprochen. Direkt nachdem Gonzalez die Heine Apotheke in Hamburg-Blankenese im Oktober 2011 übernommen hatte, begann sie, über Anwalt Richter im großen Stil Abmahnungen gegen angebliche Mitbewerber auszusprechen. Von November 2011 bis September 2012 waren es 80 Abmahnungen gegen Onlinehändler: Diese hätten zu Eiweißprodukten unzureichende Grundpreisangaben gemacht, so der Vowurf. Seit Oktober 2012 hat sie den Akten zufolge weitere 89 Abmahnungen wegen nicht ausreichender Preisangaben zu Gleitgel aussprechen lassen.

Insgesamt hat Gonzalez 90 Gerichtsverfahren geführt. Das OLG hatte sie in dem Zusammenhang schon am 19. Februar 2013 darauf hingewiesen, dass ihr Vorgehen rechtsmissbräuchlich sei: Die Gerichtskosten stünden in keinem Verhältnis zu den Einnahmen der Apothekerin. Die Kosten für die insgesamt 189 Abmahnungen beliefen sich laut Gericht auf etwa 123.000 Euro. Die abgemahnten Produkte gehörten aber nur zum Randsortiment. Damit sei das wirtschaftliche Interesse der Apothekerin an den Wettbewerbsverstößen gering.

Gonzalez hatte daraufhin ihre Klagen zurückgenommen. Kosten entstanden ihr dabei keine: Die Haftpflichtversicherung ihres Anwalts Richter hat die Kosten der Rücknahmen aufgefangen. Kosten für Verfahren, die zusätzlich außerhalb Hamburgs angestrengt wurden, aber nach der Entscheidung des OLG verloren gingen, trug Richter selbst.

Tatsächlich profitiere nicht Gonzalez, sondern vielmehr ihr Anwalt aufgrund von Honorarzahlungen von den Abmahnungen, erklärten die Richter des OLG im aktuellen Fall. Der beklagte Händler sagte im Prozess, dass die Apothekerin lediglich das „Abmahnvehikel“ ihres Anwalts sowie ihres Ehemanns sei. Die „Abmahntätigkeit habe sich verselbstständigt“; der Anwalt entscheide sein Vorgehen ohne Rücksprache mit Gonzalez. Ihr scheine kein Risiko zu entstehen, weil Richter ihr womöglich nie Gebühren in Rechnung stelle. Das stritt dieser ab.

Gonzalez erklärte, bei den Health-Claims-Abmahnungen nicht rechtsmissbräuchlich zu handeln: Sie habe deutlich weniger Abmahnungen ausgesprochen als in den vorherigen Wellen. Zudem gehörten Produkte zur Harnwegsgesundheit zum Kernsortiment der Apotheke. Doch wegen der Werbung mit Health Claims könnten Kunden statt Apothekenprodukten das Cranberry-Pulver kaufen. Die Richter des OLG hielten dagegen, dass die Apothekerin nicht dargelegt habe, in welchem Ausmaß ihr Umsatz aufgrund der Wettbewerbsverstöße gefährdet würde. Wieder seien für Gonzalez aber erhebliche Anwaltskosten angefallen: Für die elf Abmahnungen würden knapp 11.000 Euro an Richter fällig.

Gonzalez scheine kein tatsächliches Interesse an den Durchsetzungen der Abmahnungen zu haben, stellte das OLG fest. Das sei etwa daraus zu schließen, dass sie die Unterlassungserklärungen nicht mit einem Androhungsbeschluss umgesetzt habe, sondern sich stattdessen Ansprüche abkaufen ließ. Somit sei insgesamt anzunehmen, dass das Vorgehen der Apothekerin erneut rechtsmissbräuchlich sei, urteilten die Hamburger Richter.

Das OLG wies daher im August die Klage und Berufung von Gonzalez ab: Sie und ihr Anwalt müssen dem beklagten Onlineanbieter die Anwaltskosten in Höhe von 550 Euro nebst Zinsen erstatten. Gonzalez habe keinen Anspruch auf die Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von etwa 985 Euro. Gegen das Urteil ist keine Revision zugelassen. Gonzalez wollte sich gegenüber APOTHEKE ADHOC zu dem Fall nicht weiter äußern.

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