Maskenstreit: BMG verliert gegen Lieferanten Tobias Lau, 23.04.2021 14:35 Uhr
Im Rechtsstreit um die Maskenbeschaffung des Bundes im vergangenen Frühjahr hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nun erstmals eine Niederlage eingefahren: Das Landgericht Bonn (LG) bestätigte am Mittwoch, dass das BMG verschiedenen Lieferanten unterschiedliche Konditionen eingeräumt hat – rechtswidrig. Das BMG wurde dazu verurteilt, einem Vertragspartner 1,8 Millionen Euro nachzuzahlen. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Ein Anwalt des Klägers geht davon aus, dass das BMG das Verfahren bis nach den Bundestagswahlen verschleppen will.
Jener Mandant zählt zu den dutzenden Firmen, die sich vom BMG übers Ohr gehauen fühlen: Ende April 2020 hatte das Unternehmen aus München im Rahmen eines Open-House-Verfahrens 2,1 Millionen Schutzmasken an den Bund geliefert. In den Verfahrensunterlagen war vereinbart, dass die Lieferungen spätestens bis zum 30. April 2020 erfolgt sein mussten. Der Bund zahlte jedoch nur für 1,6 Millionen Masken. Es dauerte mehrere Monate, bis das Unternehmen erfuhr, was aus den restlichen 500.000 Masken geworden ist: Der Bund teilte ihm mit, dass eine halbe Million Masken mangelhaft seien, insbesondere seien sie nicht wasserdicht. Da keine mangelfreie Ware geliefert worden sei, trete man vom Vertrag zurück. Aufgrund des Fixcharakters des Geschäfts scheide eine Nacherfüllung aus.
Doch genau das bestreitet das betroffene Unternehmen und hat damit nun recht bekommen: Denn zwar war das Open-House-Verfahren tatsächlich als Fixverfahren geplant – anderen, anscheinend ausgesuchten Lieferanten war aber sehr wohl eine Nacherfüllung gewährt worden. „Der Bund stellt auch gar nicht unstreitig, dass Nacherfüllungen möglich waren, behauptet aber, dass die Logistiker Fiege und DHL das unabgesprochen selbst gewährt hätten“, erklärt Klageanwalt Moritz Kopp von der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt auf Anfrage. „Falls das wirklich so ist, frage ich mich aber: Warum gibt es dann keine Schadenersatzverfahren gegen Fiege und DHL?“
Das LG folgte der Argumentation Kopps und seines Kollegen Volker Schloms von der Kanzlei JUS Rechtsanwälte. In einem umfangreichen Hinweisbeschluss betont es, dass sich der Bund unter diesen Umständen wegen einer Ungleichbehandlung der Lieferanten nicht auf den Fixtermin berufen könne. Damit dürfe er auch nicht vom Vertrag zurücktreten, sondern hätte den Lieferanten gestatten müssen, mangelfreie Ersatzware zu liefern.
Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, es handelte sich um ein Urkundenverfahren ohne Anhörung von Zeugen und Sachverständige. Der Bund kann das Urteil nun noch in der ersten Instanz anfechten und Zeugen oder Sachverständige laden. Kopp geht davon aus, dass das in den kommenden Wochen auch passieren wird. Nach aktuellem Stand werde das Verfahren terminbedingt erst im September oder Oktober weitergehen – und es ist erst die erste Instanz. „Offensichtlich hat der Bund kein Interesse an einer sachgerechten Lösung“, sagt er. „Und wenn er dann letztlich unterliegen sollte und die Nacherfüllung gewähren muss, dann sind wir in einer Zeit, in der kein Mensch mehr solche Mengen an Atemschutzmasken braucht.“
Er gehe davon aus, dass der Bund letztlich allen Lieferanten, mit denen er im Streit liegt, Nacherfüllung gewähren muss. Denn das jetzige Urteil mache eine Trendwende bei der Meinung des Gerichts erkennbar. Noch Mitte März hatte das LG nämlich eine erste Klage gegen das BMG abgewiesen: Dabei hatte eine Firma nach Angaben des Gerichts die Lieferung von einer Million Masken angeboten und den Zuschlag erhalten. Zwar wurden 960.000 Anfang Mai 2020 geliefert, die restlichen 40.000 sollten nachgeliefert werden. Der Bund monierte allerdings auch dort Mängel, etwa bei der Durchlässigkeit oder Löcher an den Schlaufen. Nur 50.000 Masken wurden nicht beanstandet und auch bezahlt. Das LG entschied, dass die Firma keinen Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises für die restlichen 950.000 Masken in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro habe – auch nicht bei Nachlieferung anderer Schutzmasken. Der Bund sei wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten.
Anders als jetzt hatte die Ungleichbehandlung der anderen Lieferanten und Logistiker dabei demnach keine Rolle gespielt. Zwar wittern die klagenden Unternehmen deshalb jetzt Morgenluft – Kopp geht jedoch davon aus, dass der Bund den Streit auch bei schlechter Perspektive bis zuletzt austragen will. „Vor den Wahlen will sich Herr Spahn diese Blöße wohl nicht mehr geben“, so Kopp. „Dabei kostet so ein Verfahren bei den Summen, um die es geht, schnell mal eine Million Euro.“ Und der Großteil der über 80 Lieferanten, die gegen den Bund prozessieren, seien Mittelständler, die solche Millionenbeträge nicht mal eben rumliegen haben. „Da können Existenzen zugrunde gehen. Das sind die eigenen Steuerzahler, die der Bund da kaputt macht“, so Kopp.