Manche Apotheken haben sich bei der Verteilung kostenloser FFP2-Masken besonders ins Zeug gelegt und schon vor dem Stichtag an ihre Kunden abgegeben – eine Vertrauensleistung nicht nur gegenüber den Kunden, sondern auch gegenüber der Politik. Ein Inhaber aus Nordrhein-Westfalen hat sich damit aber nun Ärger eingehandelt: Ein Mitbewerber hat ihn dafür abgemahnt und droht mit gerichtlichen Schritten – denn er sieht dadurch die freie Apothekenwahl beeinträchtigt. Der abgemahnte Apotheker nimmt es gelassen und zeigt sogar Verständnis für seinen Mitbewerber.
Apotheker Johann Burgdorf* hatte es nur gut gemeint: Bereits seit Donnerstag gab er aus seinen eigenen Beständen FFP2-Masken an seine Kunden ab – und zwar auf reiner Vertrauensbasis. „Wir kennen hier 70 Prozent unserer Kunden, von daher war die Selektion einfach“, sagt er. Und auch Kunden, die er nicht kannte, hat er Masken abgegeben, wenn er überzeugt war, dass sie einer Risikogruppe angehören. „Oft hat man ja schon am Rezept erkannt, woran jemand leidet. Und wenn der Kunde ein Risikopatient war, dann haben wir ihm gleich eine Packung Masken mitgegeben.“ Dabei habe er erst gar nicht versucht, jede Abgabe zu dokumentieren, sagt er. „Ich halte diese Dokumentation für gar nicht so sinnvoll, weil der Ansturm so groß war, dass wir sowieso nicht jedes Mal hätten nachprüfen können, ob jemand schon mal Masken bei uns geholt hat.“
Zwischen 5000 und 6000 Masken hatte er so schon bis zum Dienstag abgegeben – und steht dazu. „Ich habe das gemacht, weil ich glaube, dass es nötig ist, wenn wir wollen, dass die wirksamen Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung nicht durch einen Ansturm auf die Apotheken konterkariert werden.“ Schließlich sei es kontraproduktiv, härtere Kontaktbeschränkungen zu verhängen und dann einen großen Ansturm auf die Vor-Ort-Apotheken herbeizuführen. Die Nachfrage ein wenig zu strecken, könne durchaus eine Erleichterung herbeiführen.
Das sieht ein Kollege in einer nahegelegenen Apotheke aber ganz anders. Er schaltete eine Anwaltskanzlei ein und schickte Burgdorf eine Abmahnung. Die verweist in dem Schreiben darauf, dass Menschen über 60 und Risikopatienten erst mit Inkrafttreten der Verordnung einen Anspruch auf kostenlose FFP2-Masken haben. Die Abgabe habe deshalb ohne gesetzliche Grundlage erfolgt und sei daher unlauter im Sinne des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. Burgdorfs Verhalten sei dazu geeignet gewesen, aufgrund des Anreizes der kostenfreien Abgabe die im SGB V festgeschriebene freie Apothekenwahl zu beeinträchtigen.
Und die Anwälte gehen sogar noch weiter: Bundesgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht hätten in ihrer Rechtsprechung bereits klargemacht, dass es wettbewerbsrechtlich unzulässig sei, wenn Apotheken ihren Kunden beim Erwerb von verschreibungsrechtlichen Arzneimitteln Werbegeschenke machen. Die kostenlosen FFP2-Masken für Risikopatienten betrachten sie demnach als unzulässige Werbegeschenke – und verlangen von Burgdorf, dass er eine strafbewährte Unterlassungserklärung unterzeichnet. Der denkt gar nicht dran. „Ich habe bis heute Abend Zeit, zu unterschreiben. Aber das werde ich nicht tun. Wenn die möchten, sollen sie mich ruhig verklagen.“
Er habe bereits seine Anwälte konsultiert und die hätten ihm geraten, es zur Not auf einen Prozess ankommen zu lassen, denn ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß sei in seinem Vorgehen nicht eindeutig zu erkennen. Die Unterlassungserklärung in Bezug auf die Abgabe zu unterzeichnen, macht ohnehin wenig Sinn – die Verordnung ist seit Dienstag in Kraft.
„Aber rein technisch ist es dennoch ein Risiko für mich: sie könnten mich verklagen und Anwaltskosten sowie Verlustausfall verlangen“, sagt Burgdorf. Davon gehe er aber nicht aus – und zwar nicht nur, weil er die juristische Argumentation als äußerst wacklig ansieht, sondern auch, weil er nicht glaubt, dass sein Mitbewerber daran wirklich ein Interesse hat. „Die haben gemerkt, dass sich das hier in der Gegend rumgesprochen hat und überhaupt nicht gut ankommt“, sagt er. Denn Burgdorf weiß sehr gut, wer ihn da abgemahnt hat: Er hat nämlich bisher nach eigenen Angaben ein gutes Verhältnis zu seinem Mitbewerber gehabt und ihm sogar Hilfe bei der Maskenverteilung angeboten.
„Wir hatten vergangene Woche bereits telefoniert und da ich die Vermutung hatte, dass er nicht entsprechend bevorratet ist, habe ich ihm sogar angeboten, ihm Masken zu geben. Die hätte ich ihm zum Einkaufspreis überlassen“, erzählt er. Doch sein Kollege wollte nicht – ob aus Stolz oder weil er darauf pochte, sich strikt an die Verordnung zu halten, könne er nicht sagen. Genauso wenig wie über den Grund der Abmahnung. „Muskelspiel, Warnung, Schuss vor den Bug? Ich weiß es nicht, aber ich finde den Schachzug nicht so nett.“ Dennoch zeigt er sogar Verständnis für das Verhalten seines Mitbewerbers. „Wir haben dieses Jahr als Apotheken viel Mist ertragen müssen und wenn dann noch ein Kollege um die Ecke kommt und einen dann vermeintlich aussticht, dann kann ich mir schon vorstellen, dass man da etwas überreagiert.“
Dabei habe er sich – wenn überhaupt – durch seine Vorgehensweise eher selbst ein Bein gestellt. „Apotheker, die wie ich früher abgeben haben, stehen dann bei der Auszahlung schlechter da. Im Prinzip schade ich mir doch eher selbst, wenn ich mir viel von der Vergütung wegschmelze. Und ob ich davon wirklich irgendeinen Wettbewerbsvorteil habe, wage ich stark zu bezweifeln.“ Das sei nun einmal eine der Schieflagen, die dadurch zustande kam, dass die Verordnung mit heißer Nadel gestrickt wurde: Es gebe Apotheker, die 20.000 Masken verteilen, obwohl sie nach Vergütungsmodell nur 10.000 abgeben müssten und andere gäben nur 5000 Masken ab, erhalten aber die Vergütung für die Abgabe von 10.000 Stück.
„Verdienen werde ich also an der Aktion nichts, ich werde eher die Notbremse ziehen müssen, wenn die Vergütung niedriger als der Einkaufspreis wird.“ Entsprechend wenig habe er sich vorzuwerfen, sagt Burgdorf – auch mit Blick auf die Abmahnung: „Ich habe das eigentlich gelassen gesehen, aber es ist natürlich ärgerlich, dass ich mich im Moment sowas zu beschäftigen muss, wo wir doch gerade viel wichtigeres zu tun haben“
*Name von der Redaktion geändert.
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