Codewort am HV-Tisch

„Maske 19“: Apotheken sollen gegen häusliche Gewalt helfen

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Berlin -

Die Vereinten Nationen sprechen von einer „Schattenpandemie“: Weltweit hat während der Covid19-Pandemie die häusliche Gewalt zugenommen. In Frankreich, Spanien und Belgien sollen Apotheken helfen, möglichst niedrigschwellig Hilfe in Anspruch nehmen zu können: Das Codewort „Maske 19“ soll dort am HV signalisieren, dass Betroffene Hilfe suchen. Das Projekt soll nun auf Deutschland übertragen werden. Im Landtag von Nordrhein-Westfalen haben das die Regierungsfraktionen angestoßen. Im Kammerbezirk Westfalen-Lippe gibt es bereits ein ähnliches Projekt.

„Wenn man da, wo Liebe, Sicherheit und Verständnis normal sein sollten, Gewalt erfährt, hat man Hilfe verdient“, sagte die CDU-Abgeordnete und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion Heike Troles bei der Aussprache zum Thema Ende Juni im Landtag. „Häusliche Gewalt, insbesondere Gewalt gegen Frauen, ist eine Menschenrechtsverletzung. Es handelt sich hier nicht um eine Kleinigkeit oder einen Ausrutscher, der mal passieren kann.“ Das Problem sei auch ohne die Pandemie schon virulent, die Kontaktbeschränkungen, Kurzarbeit, finanzielle Sorgen und geringe bis gar keine Rückzugsmöglichkeiten hätten in der Coronakrise die häuslichen Stressfaktoren aber noch einmal erhöht. Tatsächlich warnen Familienhilfeorganisationen und Frauenhäuser schon seit Beginn der Pandemie davor, dass häusliche Gewalt spürbar zunehme.

Einer repräsentativen Umfrage der TU München und des RWI-Leibniz-Instituts zufolge wurden 3 Prozent der Frauen in Deutschland während der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen während der Pandemie Opfer häuslicher Gewalt, erklärte die FDP-Abgeordnete Susanne Schneider. Auch die Bundespsychotherapeutenkammer habe bereits festgestellt, dass die Fallzahlen häuslicher Gewalt gestiegen sind. Betroffenen müsse deshalb die Möglichkeit gegeben werden, Hilfsprogramme so niedrigschwellig wie möglich in Anspruch zu nehmen, forderte Troles. CDU und FDP haben deshalb im Landtag einen Antrag eingebracht, mit dem sie die schwarz-gelbe Regierung auffordern, eine Kampagne zu organisieren, die sich an ähnlichen Projekten in Frankreich, Spanien, Griechenland, Belgien und den Niederlanden orientiert. In diesen Ländern sind Apotheken aufgefordert, die Polizei zu rufen, wenn in der Offizin das Codewort „Maske 19“ fällt.

In Belgien dürfen Apothekenmitarbeiter sogar selbstständig die Daten der betroffenen Kunden an die Behörden weitergeben. In Frankreich ging bereits Ende März ein Rundschreiben an die Apotheken, das die neue Vorgehensweise erklärt. Die schwarz-gelbe Landesregierung ist nun vom Landtag aufgefordert, eine mehrsprachige, rechtssichere Handlungsempfehlung auszuarbeiten und diese an die Apotheken, aber auch andere Einrichtungen wie Arztpraxen oder Friseursalons zu verteilen.

FDP-Abgeordnete Schneider verwies als Vorbild für das Projekt nicht nur auf andere europäische Länder, sondern auch das Projekt „Luisa ist hier!“, das im Dezember 2016 vom Münsteraner Frauen-Notruf ins Leben gerufen wurde und mittlerweile in 40 deutschen Städten angeboten wird. Frauen können dabei in Kneipen, Bars oder Clubs mit der Frage „Ist Luisa hier?“ signalisieren, dass sie sexuell belästigt werden. Das Projekt erhielt große Resonanz und wird mittlerweile auch in der Schweiz und Österreich angeboten.

„Nun ist es aber leider so, dass wir noch einen weiteren Code einführen sollten“, so Schneider. Denn das Konzept von „Maske 19“ eröffne einen zusätzlichen Meldeweg, wenn ein Notruf gerade nicht möglich ist, weil sich der Täter noch in der Nähe befindet. Die Etablierung eines neuen Codeworts werde sicherlich einiger Anstrengungen bedürfen, inklusive Schulungen und Kampagnen. „Aber die Mühe wird sich langfristig lohnen“, so Schneider.

Es wird nicht das erste Mal sein, dass sich Apotheken in NRW gegen häusliche Gewalt engagieren. Bereits im April hat der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) ein Projekt mit dem Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen in NRW gestartet. Dabei werden Hinweiszettel mit den Kontaktdaten wichtiger Anlaufstellen ausgelegt, an die sich sowohl die Opfer häuslicher Gewalt wenden können, als auch diejenigen, die Rat brauchen, wie Opfern geholfen werden kann. „Der Gang zur Apotheke ist derzeit eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Opfer häuslicher Gewalt den eigenen vier Wänden entkommen können“, erklärt Aysel Sırmasaç, Geschäftsführerin des Dachverbands der autonomen Frauenberatungsstellen NRW die Aktion.

 

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