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Löwen-Apotheke: Ein Laufsteg für die Apothekerin Eugenie Ankowitsch, 15.11.2018 15:14 Uhr

Berlin - 

Tradition und Moderne harmonisch miteinander zu verbinden: Vor dieser Herausforderung stehen einige geschichtsträchtige Apotheken in Deutschland. Auch Nicole Conrad, der die Löwen-Apotheke in Neuruppin gehört, kann auf berühmte Vorgänger blicken. Im 19. Jahrhundert gehörte die Apotheke der Familie des Dichters Theodor Fontane. Nach dem jüngsten Umbau erstrahlt die historische Apotheke im neuen Glanz. Das Lichtkonzept der Apotheke wurde sogar mit dem Deutschen Lichtdesignpreis 2018 ausgezeichnet.

Im Jahr 2005 hat Conrad die geschichtsträchtige Apotheke nicht einmal ein Jahr nach ihrer Approbation übernommen. Die junge Apothekerin hatte eine ganz besondere Beziehung zu der Löwen-Apotheke. In Neuruppin geboren und damit mit der Geschichte des wohl berühmtesten Sohns der Stadt aufgewachsen, arbeitete sie in der Apotheke bereits als Praktikantin und PhiP. „Bereits als ich die Löwen-Apotheke übernommen habe, war die Einrichtung nicht optimal“, erinnert sie sich. Doch zunächst scheute die junge Apothekerin die hohen Investitionen. Mit den Jahren habe es allerdings immer öfter Probleme mit der Einrichtung gegeben. Auch die Anforderungen an eine moderne Apotheke hätten sich geändert.

Und so beschloss Conrad, ihre Löwen-Apotheke ein neues, zugleich aber auch altes Gesicht zu geben. Denn ihr unbedingter Wunsch war es, die Tradition und die Geschichte der Apotheke mit der Moderne zu verbinden. Letztlich gab Conrad den Berliner Architekten Hans-Joachim und Christiane Glahn den Auftrag, die Apotheke im Stil der ursprünglichen Einrichtung aus den 30er-Jahren neu zu gestalten. Diese schlichten, handwerklich gefertigten Möbel im Stil eines Kolonialwarenladens sind bereits zu DDR-Zeiten zerstört worden.

Die komplette neue Einrichtung wurde ihrem Wunsch entsprechend aus dunklem Holz gefertigt. Alle Wände sind außerdem vollständig mit Regalen ausgekleidet. „Die Idee war, die relativ kleine Offizin optimal zu nutzen, um maximale Fläche für die Warenpräsentation zu gewinnen“, erläutert Glahn sein Konzept. Außerdem sollen die dunklen Möbel als ruhiges Passepartout für die Vielfalt der farbenfrohen Medikamentenpackungen dienen. Auch der grüne Linoleumboden entstand als Zitat und in Anlehnung an den aus den 30er-Jahren überlieferten Apothekenraum.

Zwar besteht die Löwen-Apotheke bereits seit 1698. Ihr bisher berühmtester Besitzer war zwischen 1819 und 1826 Louis Henry Fontane, der Vater von Theodor Fontane (1819-1898), der ebenfalls Pharmazeut war und in der Apotheke gearbeitet haben soll. Deshalb sollte die neue Apothekenausgestaltung dem großen Dichter einen gebührenden Platz einräumen. So sind beispielsweise Aphorismen Fontanes in Kreideschrift auf die schieferfarbenen Rückwände der Regale geschrieben. Nicht zuletzt ehrt das verblasste, überlebensgroße Portrait des jungen Fontanes, das am Ende des Zugangs zum Backoffice in der Sichtachse des Eingangs stets präsent ist, das Erbe des Dichters.

Ursprünglich befand sich der Zugang zum Backoffice in der hintersten Ecke der Apotheke. „Das ist natürlich nicht optimal“, gibt der Architekt zu bedenken. „Es entsteht der Eindruck, als käme der Apotheker aus der letzten Ecke. Das kann dem Beruf nicht gerecht werden.“ Nun bildet der Gang, an dessen Ende das große Fontane-Bildnis über das Geschehen wacht, eine Art Laufsteg für die Apothekerin und ihre Mitarbeiterinnen.

An der Stelle, wo früher der Zugang zum Backoffice war, befindet sich nun die kleine gläserne Rezeptur. „Die Rezeptur sollte unserer Ansicht nach sehr prominent in einer Apotheke präsentiert sein“, sagt Glahn. Denn sie komme nur in Apotheken vor und sei deshalb deren Alleinstellungsmerkmal, das es zu unterstreichen gelte. „In allen Apotheken, die wir gestalten, versuchen wir nach Möglichkeit die Rezeptur in die Offizin einzubinden“, betont der Architekt. Und tatsächlich ist die gläserne Rezeptur der Blickfang in der Apotheke, bestätigt Conrad. „Wir haben sogar seit dem Umbau mehr Praktikumsanfragen“, sagt die Apothekerin, die das Interesse junger Menschen auf die gläserne Rezeptur zurückführt. Auch auf deren Glaswänden wurde Fontane mit einer handschriftlichen Verordnung verewigt.

Der neue Kommissionierer befindet sich zwar im Backoffice. Doch durch die Rezeptur hindurch wird dem Kunden ein Einblick in das automatische Warenlager gewährt. „Das ist eine tolle Verbindung zwischen modernen Elementen und dem ursprünglichen Apothekenhandwerk“, zeigt sich Conrad begeistert. Mit dem Einzug der modernen Technik habe sich auch die Art der Beratung verändert. „Wir mussten tatsächlich ganz viel lernen“, räumt die Apothekerin ein. Was macht man denn mit der Zeit, in der man früher zum Ziehschrank gelaufen ist? „Wir haben etwas mehr als ein Jahr gebraucht, um diese neue Art der Beratung sicher zu beherrschen und die gewonnene Zeit sinnvoll zu nutzen“, berichtet die Apothekerin.

Besonderes Highlight ist auch die Beleuchtung der Apotheke. Mit seinem Beleuchtungskonzept gewann der Lichtplaner Jan Nielsen von der Firma Conceptlicht sogar den diesjährigen Deutschen Lichtdesignpreises in der Kategorie Shopbeleuchtung. Dabei sollen weder das Personal noch die Kunden die Beleuchtung überhaupt merken, wie Nielsen betont: „Wenn man in eine Apotheke rein geht und nimmt die Leuchten wahr, dann ist etwas schief gelaufen.“ Denn es gehe um einen ungestörten Raumeindruck.

Zentral ist für Nielsen die Warenpräsentation: „Es war wichtig, die Waren in den Mittelpunkt zu setzen und eben keine zusätzlichen Informationen draufzupacken“, sagt er. Die Leuchten nehmen sich daher in der Eigenwirkung stark zurück. Ziel sei eben, die Arbeitsbereiche gut auszuleuchten und gleichzeitig niemanden zu blenden.

Die ausgekleideten Wandregale im Verkaufsraum sind mit engstrahlenden Deckeneinbauleuchten in kaltweißer Lichtfarbe (4000 Kelvin) wirkungsvoll beleuchtet. Die klare Warenpräsentation wird unterstützt durch den Hell-Dunkel-Kontrast zwischen der Ware und dem dunklem Holz. „Wichtig war uns, dass sich an der oberen Regalblende und an den Regalrückwänden keine Lichtkegel abzeichnen um visuellen Ballast zu vermeiden“, erläutert der Lichtdesigner. Im Bereich der Fenster mit den vorgelagerten Sitzbänken sind Deckeneinbau-Downlights als Leselichter ergänzt. Diese Platzlichter sind ebenfalls in kaltweißer Lichtfarbe ausgeführt.

Um den Raum zu gliedern und die unterschiedlichen Bereich klar voneinander zu trennen, sieht das Konzept in der Achse der Verkaufstresen und Rezeptur dagegen eine warmweiße Lichtfarbe (3000 Kelvin) vor. Über den HV-Tischen kommen direkt-indirekt strahlende Pendelleuchten zum Einsatz, die so positioniert sind, dass Apotheker und Kunde eine blendfreie Sicht haben, erläutert Nielsen. Um den dunkel gehaltenen Raum in seiner warmen Atmosphäre zu unterstützen, werde die weiße Decke mit warmweißer Lichtfarbe von der Pendelleuchte aus diffus aufgehellt.

Der Inhaberin stehen drei Voreinstellungen zur Verfügung: „Verkauf“, „Geschlossen“ und „Nachtdienst“. Alle weiteren Schaltkreise seien bei Bedarf zuschaltbar, versichert Nielsen. Die Schaufensterbeleuchtung läuft eigenständig mit Dämmerungsschaltung und Schaltuhr.

Obwohl sie selbst von ihrer Löwen-Apotheke begeistert ist, räumt Conrad an, dass das neue Erscheinungsbild bei ihre Kunden zunächst zu kontroversen Reaktionen geführt habe. Während die meisten jüngeren Kunden sich von dem neuen Design angetan zeigten, gefiel der moderne Stil manch älterem Kunden dagegen nicht so gut. Die Apothekerin ist allerdings nach wie vor überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und allen, sagt sie, könne man es ohnehin nicht Recht machen.