Die Seitentür aufgebrochen, mehrere Kassen zerstört und geplündert, ebenso der Safe, die Apotheke ein einziges Chaos. Die Folgen eines Einbruchs sind oft immens, gestohlenes Bargeld und Medikamente sowie der oft beträchtliche Sachschaden summieren sich schnell auf mehrere tausend Euro. Ganz verhindern lassen sich Einbrüche nicht. Es geht darum, den Zugang maximal zu sichern – und den nächtlichen Besuch möglichst schnell wieder zu vertreiben. Ein Konzept: Den Einbrecher direkt ansprechen und in die Flucht schlagen.
Immer mehr Apotheken überwachen ihre Apotheke außerhalb der Öffnungszeiten. 58 Prozent verfügen über eine Alarmanlage, fast die Hälfte der Apotheken ist videoüberwacht (45 Prozent). Das ergab eine Umfrage von APOSCOPE, dem Apothekenpanel von APOTHEKE ADHOC.
Das Problem bei herkömmlichen Alarmanlagen ist allerdings, dass der Einbrecher zu viel Zeit hat. Denn die Polizei kann erst eingeschaltet werden, wenn ein Fehlalarm ausgeschlossen ist. Zu diesem Zweck begeben sich bei Alarmauslösung häufig Wachdienste zum Objekt. Der alarmierte Wachdienst verfügt bei seiner Anfahrt aber über keinerlei Sonderrechte, darf also beispielsweise auf seinem Weg keine rote Ampel überfahren. Die VdS Schadenverhütung, ein Unternehmen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), sieht eine Anfahrtszeit von 20 Minuten als angemessen an.
Der Wachdienst selbst kann ebenfalls wenig ausrichten und wird im Zweifel nur die Polizei verständigen, wenn sich der Alarm als echt bestätigt. Üblicherweise sind die Einbrecher dann aber schon nicht mehr am Tatort. Die Ordnungshüter benötigen wiederum eine gewisse Zeit, um am Tatort zu sein – wenn sie überhaupt sofort kommen. Geübte Einbrecher kennen diese Zeiten und lassen sich von Blinklichtern oder einem akustischen Alarm nicht aus der Ruhe bringen. Anwohner reagieren oft ebenfalls nicht oder zu spät, weil sie selbst von einem Fehlalarm ausgehen.
Diese Schwachstelle wollten Christoph Schwitulla und sein Kompagnon Malte Tasto mit Ihrem Unternehmen 180° Sicherheit beheben. Ihr Konzept Live-Einbruchschutz setzt daher auf eine direkte Ansprache des Einbrechers. Und das geht so: Schlägt ein Bewegungsmelder in der Apotheke an, wird die 180°-Leitstelle über die Überwachungskameras zugeschaltet. Innerhalb weniger Sekunden kann ein Mitarbeiter in der Leitstelle die Situation bewerten und live in das Geschehen eingreifen.
Mit bis zu 80 dB wird der Einbrecher in scharfem Ton zur Nennung seines Kennwortes aufgefordert. Da der Operator dabei auch die aktuelle Uhrzeit nennt, weiß der ungebetene Gast, dass er tatsächlich live beobachtet wird. Wenn er das Passwort nicht augenblicklich nennt, kündigt der Operator nach seiner wiederholten Frage an, nunmehr die Polizei zu verständigen. „Von diesem Moment an spielt der Einbrecher Poker“, sagt 180°-Geschäftsführer Schwitulla. Denn mit der Aussicht, einen Delinquenten am Tatort zu erwischen, sei die Polizei erfahrungsgemäß sehr ehrgeizig.
Kennt der Einbrecher beispielsweise von einem Komplizen im Betrieb das vereinbarte Passwort, gibt es eine zweite Sicherheitshürde. Der Operator fordert dann – im Tonfall jetzt freundlicher – den Eindringling auf, die Sicherheitslösung unscharf zu schalten. Ist er dazu nicht in der Lage, wird ihm wiederum mitgeteilt, dass die Polizei auf dem Weg ist. Inhaber und berechtigte Mitarbeiter haben so die Möglichkeit, sich zu identifizieren, wenn sie aus irgendeinem Grund nachts die Apotheke aufsuchen. Bei dem Konzept geht es aber vor allem darum, den Einbrecher schnell wieder zu verscheuchen, bevor er mehr klaut oder etwas zerstört. „Der Schaden lässt sich so auf zerstörte Türen oder Fenster begrenzen. Das übernimmt die Versicherung“, sagt Schwitulla.
Die Technik kann auch tagsüber eingesetzt werden, um schnell auf Raubüberfälle zu reagieren. Wenn ein Mitarbeiter bedroht wird, kann er über einen am Körper getragenen Alarmknopf die 180°-Leitstelle hinzuziehen. Die schaltet sich dann über Videoüberwachung zu. Die Situation wird in diesem Fall zunächst beobachtet und bewertet. Eine Ansprache über die Lautsprecher erfolgt nicht, um eine Eskalation zu vermeiden. Werden allerdings Mitarbeiter mit einer Waffe bedroht, verständigt 180° Sicherheit sofort die Polizei. „Gefahr für Leib und Leben hat auch in den Dienststellen oberste Priorität. Es ist also schnellstmöglich jemand vor Ort“, so Schwitulla.
Der Datenschutz bleibt laut 180° stets gewährleistet, da eine Live-Verbindung ausschließlich im Alarmfall aufgebaut wird. Die Zentrale kann sich also nicht ungefragt zuschalten und das Vorgehen in der Apotheke beobachten. Der Inhaber muss dennoch darauf achten, Kunden und Mitarbeiter auf die optionale Videoüberwachung hinzuweisen.
Die Technik kommt in verschiedenen Branchen und auch bei Privatleuten zum Einsatz. Gerade in Apotheken sei der Bedarf aber groß, berichtet Schwitulla. Mehrere Dutzend solcher Anlagen hat seine Firma bereits in Apotheken installiert. Die Mitarbeiter werden entsprechend geschult. Zudem wird gemeinsam ein Maßnahmenplan für den Ernstfall erarbeitet, damit jeder weiß, wer wann und wie informiert werden muss.
180° bietet die Dienstleistung als Komplettpaket an, inklusive Technik und Wartung zahlen Apotheken zwischen 89 und 149 Euro monatlich, sowie eine einmalige Aktivierungspauschale. Zusätzliche Sicherheitstechnik wie Brandfrüherkennung oder eine biometrische Zutrittskontrolle mittels Fingerprint kann gegen Aufpreis installiert werden. Die Melder sind sabotagestützt, das System bei Stromausfall bis zu 36 Stunden gepuffert.
Sparen können Apotheken mit diesem oder ähnlichen Konzepten auch bei der Versicherung. Effektive Sicherheitseinrichtungen können beim Tarif Rabatte bringen. 180° kooperiert beispielsweise mit der Versicherung Pharmassec. Unabhängig davon profitieren Apotheker, wenn ein Einbrecher möglichst wenig Schaden anrichtet: Denn bei hohen Schadensquoten steigen auch die Prämien der Versicherungen.
Laut der APOSCOPE-Umfrage haben 13 Prozent der Teilnehmer in ihrer Apotheke schon einen Einbruch erlebt. Knapp 6 Prozent der Betroffenen erhielten in den vergangenen zwei Jahren sogar mehrfach nächtlichen Besuch. Neben dem Bargeld haben es die Einbrecher häufig auf Betäubungsmittel (BtM) abgesehen. Deshalb werden regelmäßig ganze Safes aus Apotheken geklaut.
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