Die DAK Gesundheit gilt unter Apothekern als besonders streng und kompromisslos bei Retaxationen. Umso erstaunlicher war die Ankündigung der Kasse, bei Lieferengpässen künftig auch Großhandelsbelege zu akzeptieren. Beim Deutschen Apothekerverband (DAV) freut man sich über die neue Kulanz der DAK – ganz zufrieden ist man im Apothekerhaus aber nicht.
Bislang steckten die Apotheker vielfach in einem Dilemma, wenn ein Rabattpartner der DAK nicht lieferfähig war. Denn die Kasse akzeptierte als Beleg nur die Aussage, dass der Hersteller nicht lieferfähig war. Die Großhändler können aber nur für ihr eigenes Lager sprechen und die Industrie gibt Ausfälle auch nur ungern zu – wegen drohender Vertragsstrafen seitens der Kasse. Die DAK ließ bislang nicht mit sich reden und retaxierte Apotheken trotz gesetzter Sonder-PZN.
Ein Apotheker hatte daraufhin DAK-Verwaltungsratchef Hans Bender angeschrieben und in der Fachabteilung nachgefragt, wie er sich verhalten soll. „Sollen wir warten bis der Artikel lieferbar ist?“ Dann überraschte ihn die Kasse mit einem unerwarteten Einlenken: „Für alle Rezeptabrechnungen mit einem Abgabedatum ab 1. Juli 2015 akzeptieren wir die Lieferunfähigkeitsbescheinigung des Großhändlers unabhängig davon, ob die darin enthaltene Formulierung die Lieferunfähigkeit des Pharmazeutischen Unternehmens bestätigt oder nicht.“
Die DAK bestätigte auf Nachfrage: „Wir werden unser Verfahren bei der Einspruchsbearbeitung von Retaxfällen im Zusammenhang mit der Vorlage einer Lieferunfähigkeitsbescheinigung des Großhändlers oder des Pharmazeutischen Unternehmers gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V verändern.“
Einige Regeln müssen die Apotheker dennoch beachten. Denn die Anerkenntnis gilt laut Kasse nur für die Fälle, in denen die Verordnung die Sonder-PZN und den entsprechenden Faktor für die Lieferunfähigkeit enthält. „Stehen mehrere Rabattarzneimittel zur Auswahl und sind diese nicht lieferbar, muss die Bescheinigung die Lieferunfähigkeit für alle rabattierten Produkte ausweisen“, so die Kasse.
Das Einlenken der DAK kommt überraschend. Eine Abstimmung unter den Kassen hat es offenbar nicht gegeben. Jedenfalls weiß man beim DAV nichts davon: „Mit dem GKV-Spitzenverband wurde über die Thematik der Lieferunfähigkeitsbescheinigung bislang nicht gesprochen“, teilte eine DAV-Sprecherin mit.
Im Apothekerhaus hat man die neue Linie der Kasse dennoch positiv zur Kenntnis genommen: „Dieses Einlenken der DAK-Gesundheit bewertet der DAV als erfreulich“, so die Sprecherin. Ganz zufrieden ist die Standesvertretung aber nicht: „Der Stichtag ist für uns jedoch nicht nachvollziehbar, was wir der DAK-Gesundheit gegenüber auch zum Ausdruck gebracht haben.“
Zuletzt hatte es zu der Problematik ein Treffen zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem Großhandelsverband Phagro gegeben. Die Großhändler sehen den Grund für die Probleme im Rahmenvertrag. Der Großhandel sei damit unberechtigt zum Ansprechpartner für die Apotheken bei Nicht-Lieferfähigkeit des Herstellers geworden. Das Grundübel sei, dass der Großhandel im Rahmenvertrag genannt werde, ohne dass mit ihm über Möglichkeiten einer verbindlichen Mitteilung über die Nicht-Lieferfähigkeit in Vorfeld gesprochen worden sei.
In der Tat sieht Paragraf 4 des Rahmenvertrages zwischen dem DAV und dem GKV-Spitzenverband vor, dass die Apotheke die Nicht-Lieferfähigkeit eines Arzneimittels durch die Vorlage einer Erklärung des Arzneimittelherstellers oder des Großhändlers nachweisen muss. Im „oder“ liegt aus Sicht des Großhandels das Problem. Denn tatsächlich könne nur der Hersteller die Nicht-Lieferfähigeit bezeugen. Dem Großhandel sei die Nicht-Belieferung oftmals nicht bekannt. Eine Nicht-Belieferung eines Großhändlers bedeute zudem aus rechtlicher Sicht noch keine generelle Nicht-Verfügbarkeit eines bestimmten Arzneimittels.
Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper forderte nach dem Treffen mit dem DAV die Krankenkassen auf, sich mit an den Tisch zu setzen. Weder Großhandel noch Apotheken trügen für Lieferprobleme die Verantwortung: „Deshalb dürfen auch Gründe, die nicht juristisch eindeutig der Lieferfähigkeit des Herstellers zuzuordnen sind, nicht zu einer Retaxation der Apotheke führen“, sagte Trümper im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC.
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