Fällt ein Rabattpartner aus, ist das für Apotheken doppelt ärgerlich: Dem Patienten muss ein erneuter Wechsel des Präparats erklärt werden, außerdem drohen Retaxationen. Denn nicht immer akzeptieren die Kassen den Beleg über die Nichtverfügbarkeit des Großhändlers. Jetzt hat sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) in der Sache an den Großhandelsverband Phagro gewandt. Doch die Großhändler sitzen selbst in der Zwickmühle.
Zuletzt hatten Apotheker wegen Lieferdefekten Ärger mit der DAK. Die Kasse retaxiert wegen Nichtbeachtung der Rabattverträge und akzeptiert die Bestätigung in Form von Defektlisten des Großhändlers nicht immer. Die Nichtverfügbarkeit beim Großhandel sei nicht mit der Nichtlieferfähigkeit des Herstellers gleichzusetzen, so die DAK.
Die Argumentation legt den Kern des Problems frei: Es ist eine Frage der Definition, wann ein Arzneimittel nicht lieferfähig ist. So kann es beim Großhandel auch zu Engpässen kommen, weil der Hersteller seine Ware kontingentiert. Ein solcher Lieferabriss im Einzelnen ist aus Sicht der Hersteller aber keine Lieferunfähigkeit.
Für die Hersteller sind diese semantischen Feinheiten entscheidend: Sie haben sich mit den Rabattverträgen verpflichtet, die Wirkstoffe ihrer gewonnenen Lose im ausgeschriebenen Umfang bereitzustellen. Ansonsten drohen ihnen Vertragsstrafen seitens der Kassen. Defekte werden von der Industrie regelmäßig erst dann eingestanden, wenn schon lange keine Ware mehr in den Apotheken liegt.
Gerade weil das Thema für die Industrie so heikel ist, sind auch die Großhändler mit ihrer Wortwahl vorsichtig: Sie bestätigen gegenüber den Apotheken auch nur ungern, dass ein Hersteller tatsächlich „nicht lieferfähig“ ist. Und so geben sie den Druck an die Apotheken weiter, kontingentieren ihrerseits Ware. Apotheken berichten immer wieder, dass Bestellungen nur häppchenweisen ausgeliefert werden. Weicht die Apotheke dann trotz fehlender Bestätigung auf ein anderes Produkt aus, droht die Vollabsetzung. Die Lage ist so verfahren, dass Apotheker sehenden Auges in eine Retaxation laufen müssen.
Beim DAV ist man jetzt bemüht, das Problem zu lösen: Man stehe mit dem Phagro in Kontakt, „um Regelungen und Formulierungen zu finden, die sachlich korrekt sind und dabei sowohl die Zahl an Nachfragen als auch Retaxationsrisiken verringern“, so ein Sprecher auf Nachfrage. Details werden aber nicht verraten, die Kommunikation sei direkt und vertraulich.
Dem Vernehmen nach wollen Apotheker und Großhändler in gemeinsamen Gesprächen klären, wer welche Information in welcher Form bereitstellt. Diese Formulierungen müssen aber erst noch gefunden werden. Grundsätzlich stehen die Großhändler bei dem Thema auf der Seite ihrer Kunden. Aus ihrer Perspektive sind aber vor allem die Hersteller in der Pflicht.
Die Großhändler können sich dabei auf eine Aussage der Bundesregierung von vor zwei Jahren stützen. Damals hatte sich die Fraktion Die Linke in einer kleinen Anfrage über Lieferengpässe informiert. Die Abgeordneten um Kathrin Vogler wollten von der Bundesregierung unter anderem wissen, welche positiven Effekte eine verpflichtende Meldung von absehbaren Lieferengpässe durch Hersteller und Großhändler haben könnte.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) antwortete, das Register über Lieferengpässe im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sehe bereits eine Mitteilung vorhersehbarer Lieferengpässe im Voraus vor. „Da die Großhändler im Regelfall ihre Arzneimittel von den Herstellern beziehen, ist durch die Einbeziehung der Großhändler kein Informationsgewinn zu erwarten“, so das BMG.
Laut Rahmenvertrag müssen Apotheker die Nichtverfügbarkeit eines Rabattarzneimittels auf dem Rezept vermerken. Zusätzlich müssen sie belegen, dass der Hersteller das Präparat tatsächlich nicht liefern konnte. Häufiger wird daher die Sonder-PZN mit einem Akutfall oder pharmazeutischen Bedenken begründet. Der Nachweis muss laut Vertrag nicht unbedingt vom Hersteller selbst kommen, eine Erklärung des Großhandels reicht aus. Allerdings müsse diese bestimmte Anforderungen erfüllen, teilte der Landesapothekerverband Mecklenburg-Vorpommern (LAV) gegenüber den Mitgliedern mit.
Die Erklärung des Großhandels müsse „zweifelsfrei formuliert“ sein, heißt es. Der LAV kritisiert, dass dies nicht immer der Fall ist: „Uns sind Taxbeanstandungen einer Krankenkasse bekannt, in denen Defektmeldungen des Großhandels nicht als Nachweis der Nichtlieferfähigkeit des Herstellers akzeptiert werden“, so der LAV.
So könne eine vom Großhandel ausgestellte Bescheinigung von Krankenkassen unter Umständen als nicht ausreichend betrachtet werden, wenn dieser nur seinen eigenen Engpass zum Zeitpunkt der Vorlage der Verordnung dokumentiere. „Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, muss aus der Erklärung eindeutig hervorgehen, dass die 'nicht vorhandene Lieferfähigkeit des pharmazeutischen Unternehmers' ursächlich dafür ist, dass die Apotheke vom Großhandel nicht mit dem betreffenden Arzneimittel beliefert werden konnte“, heißt es in dem Schreiben.
Der LAV rät seinen Mitgliedern, im eigenen Interesse darauf zu achten, „dass Nachweise Ihres Großhandels zweifelsfrei und rechtssicher formuliert sind“. Den Mitglieder wird versichert, dass der DAV den Phagro „auf die Problematik hingewiesen“ habe. Zuletzt hatte auch Dr. Sebastian Schwintek, Geschäftsführer des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL), die Großhändler aufgefordert, den Apotheken taugliche Belege auszustellen.
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