Lieferengpässe: Keine Mehrkosten für Versicherte Nadine Tröbitscher, 12.08.2020 09:37 Uhr
Wenn das Generikum nicht lieferbar ist, bleibt mitunter nur das Original – mit teilweise drastischer Aufzahlung. Seit 1. August müssen Patienten mögliche Mehrkosten im Zusammenhang mit den Festbeträgen nicht mehr aus eigener Tasche zahlen. Die Änderung des Rahmenvertrages setzt die Vorgaben im Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz um. Gute Nachrichten gibt es auch für die Apotheke – es ist nur ein Defektbeleg beim Großhandel einzuholen.
Nach § 129 Absatz 4c Sozialgesetzbuch (SGB V) müssen Kasse und Hersteller bei Rabattverträgen eine bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten sicherstellen. Ist ein rabattiertes Arzneimittel nicht verfügbar, ist die Apotheke unmittelbar zur Abgabe eines lieferbaren wirkstoffgleichen Arzneimittels berechtigt. Ist kein Arzneimittel zum Festbetrag verfügbar, trägt die Krankenkasse abweichend die Mehrkosten und nicht der Patient. Zum 1. August wurde § 11 Rahmenvertrag entsprechend angepasst und um zwei Absätze ergänzt.
Der Festbetrag ist die vom GKV-Spitzenverband festgelegte Preisobergrenze und stellt den maximalen Betrag dar, den die Kassen für ein Arzneimittel zahlen. Festbeträge werden gebildet, wenn mehrere Arzneimittel als vergleichbar eingestuft werden und die Kassen eine Erstattungsobergrenze festlegen wollen. Etwa 80 Prozent der ärztlichen Verordnungen betreffen Arzneimittel aus Festbetragsgruppen, die 40 Prozent der Umsätze im GKV-Markt ausmachen.
Übersteigt der Verkaufspreis eines Arzneimittels den Festbetrag, zahlen Patienten in der Regel die Differenz aus eigener Tasche. Alternativ können sie mit einem anderen, als therapeutisch gleichwertig eingestuften Arzneimittel versorgt werden, für das keine Aufzahlung fällig wird.
Mehrkosten aufgrund von Austausch wegen Lieferengpässen trägt nach § 11 Absatz 3 jetzt die Kasse und nicht der Versicherte: „Ist bei einer Abgabe nach Absatz 2 kein Arzneimittel zum Festbetrag verfügbar, trägt die Krankenkasse abweichend von § 31 Absatz 2 Satz 1 SGB V die Mehrkosten.“
Laut § 11 Rahmenvertrag muss die Apotheke vorrangig das rabattierte Arzneimittel abgeben. Kann aufgrund von Defekten nicht rabattvertragskonform geliefert werden, kann entsprechend Rahmenvertrag § 11 Absatz 2 mit einem lieferbaren wirkstoffgleichen Arzneimittel, das den Aut-idem-Vorgaben entspricht, versorgt werden. Dabei ist die Abgaberangfolge zu beachten und bei Arzneimitteln, die dem generischen Markt zugeordnet werden, eines der vier preisgünstigsten abzugeben. Sind diese defekt, kann das nächstteurere Präparat abgerechnet werden. Ist dieses ebenfalls nicht lieferbar, geht es eine Preisstufe höher.
Wird das verordnete Arzneimittel dem importrelevanten Markt zugeordnet, fällt zuerst die Wahl auf ein Arzneimittel, das nicht teurer ist als das verordnete. Bei der Auswahl hat die Apotheke preisgünstige Importe bevorzugt abzugeben. Bei Parallelarzneimitteln darf das abgegebene Arzneimittel nicht teurer sein als das preisgünstigste Parallelarzneimittel.
Scheiden alle Optionen entsprechend den Vorgaben des Rahmenvertrages aus, darf die Apotheke höherpreisig versorgen – oberhalb des Festbetrages. Der Preisanker muss nicht beachtet werden. Außerdem darf im importrelevanten Markt mit dem Original oder einem teureren Parallelarzneimittel versorgt werden.
§ 11 Absatz 2: „Sind alle rabattierten Arzneimittel, welche nach Absatz 1 auszuwählen wären, bei Vorlage der ärztlichen Verordnung nicht verfügbar, ist die Apotheke zur Abgabe eines gemäß § 2 Absatz 10 lieferfähigen wirkstoffgleichen Arzneimittels nach Maßgabe des § 129 Absatz 1 Satz 2 SGB V berechtigt. […] Die Auswahl richtet sich bei Arzneimitteln nach § 9 Absatz 2 nach den Vorgaben in § 12 und bei Arzneimitteln nach § 9 Absatz 1 nach den Vorgaben in § 13. Kann auch aufgrund dieser Regelungen eine Versorgung nicht erfolgen, kann von den Vorgaben der §§ 2 Absatz 7 Satz 5, 12 Absatz 1 Satz 4, 12 Absatz 2 Satz 1 und 13 Absatz 2 Satz 2 abgewichen werden.“
Achtung: Um die Nichtverfügbarkeit zu dokumentieren, genügt ein Großhandelsnachweis. In § 11 heißt es: „Für die Feststellung der Nichtverfügbarkeit ist in Abweichung von § 2 Absatz 11 der Nachweis durch eine Verfügbarkeitsanfrage bei einem Großhandel ausreichend.“
Die Überschreitung des Festbetrages aufgrund von Lieferengpässen ist auf dem Rezept zu dokumentieren. DAV und GKV-Spitzenverband haben sich dabei auf die Sonder-PZN 02567024 und den Faktor 2 beziehungsweise 4 geeinigt. „Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass die Apotheke zur Umsetzung des Absatz 4 auf dem Arzneiverordnungsblatt in das Feld ‚Arzneimittelkennzeichen‘ das zwischen den Vertragspartnern des Vertrages nach § 300 SGB V – Technische Anlage 1 vereinbarte Sonderkennzeichen zur Nichtverfügbarkeit ‚02567024‘ und in das Feld ‚Faktor‘ die Ziffern ‚2‘ oder ‚4‘ sowie in das Feld ‚Taxe‘ den Betrag ‚0‘ einträgt.“
Der Beitrag erschien im Original bei PTA IN LOVE. Jetzt kostenlosen Newsletter abonnieren!