Wenn am Sonntag die neuen Festbeträge in Kraft treten, purzeln in den Apotheken die Preise. Der GKV-Spitzenverband hat für 30 Gruppen neue Erstattungsgrenzen festgelegt, die Hersteller haben fast durch die Bank weg ihre Preise angepasst. Neben den Originatoren und den Reimporteuren hat nur ein Generikaanbieter den Preis nicht auf das geforderte Niveau gesenkt.
Zu den von der Festbetragsanpassung betroffenen Wirkstoffen gehört Levetiracetam. Desitin hat ein Granulat auf dem Markt, das mit einem Film überzogen ist und unzerkaut mit ausreichend Flüssigkeit zu schlucken ist. Zielgruppe sind Patienten mit Schluckbeschwerden oder Patienten, die auf die Zufuhr über eine Sonde angewiesen sind.
Für diesen Produktvorteil müssen die Patienten jetzt aus eigener Tasche zahlen. Denn der Hersteller hat zwar die Preise gesenkt, aber nicht für alle Produkte auf das Festbetragsniveau. So müssen Patienten bei der Packung à 500 mg und 100 Sachets zusätzlich zur Zuzahlung 4,82 Euro an Mehrkosten tragen. Bei der Variante à 750 mg fällt zwar bei der Packung mit 200 Einheiten die Aufzahlung von 7 Euro weg, bei der N1 mit 50 Stück müssen aber immer noch 5 statt 12 Euro extra bezahlt werden. Bei 1000 mg müssen für die N1 (50 Stück) und N2 (100 Stück) jeweils rund 3 Euro zusätzlich gezahlt werden.
Aus Hamburg heißt es, dass diese Preise bewusst kalkuliert und vorerst keine Änderungen geplant seien. Patienten können auf andere Packungsgrößen oder Wirkstärken ausweichen oder auf das Granulat von Neuraxpharm. Das Produkt des Herstellers aus Langenfeld wird allerdings aufgelöst und als flüssige Zubereitung eingenommen. Die meisten Generikafirmen haben Filmtabletten im Angebot, außerdem gibt es von Desitin einen Saft und eine Infusionslösung.
Das Antiepileptikum hatte 2011 den Patentschutz verloren, seitdem sind zahlreiche Generika verfügbar. 2013 wurden Filmtabletten und Granulat in eine Festbetragsgruppe aufgenommen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sah keine Unterschiede in der Bioverfügbarkeit; auf die Vorteile des Granulats gingen die Experten nicht ein. Auch auf die Aut-idem-Liste hatte es der Wirkstoff 2016 nicht geschafft.
Levetiracetam ist ein Ethylderivat des Antidementivums Piracetam. Entwickelt wurde der Wirkstoff vom belgischen Hersteller UCB, der ihn 1985 patentieren ließ und unter dem Namen Keppra vertreibt. Levetiractam bindet an das Vesikelprotein SV2A und verhindert die Ausschüttung des erregenden Neurotransmitters Glutamat aus dem präsynaptischen Vesikel.
Der Wirkstoff wird auf zwei Tagesdosen verteilt und dient der Monotherapie von Epilepsie bei fokalen Anfällen mit und ohne sekundärer Generalisierung ab dem 16. Lebensjahr. Ab einem Monat kann Levetiracetam Zusatztherapie bei fokalen Anfällen gegeben werden.
Weitere Wirkstoffe, die von der Festbetragsanpassung betroffen sind, sind Amiodaron, Anastrozol, Azathioprin, Benzoylperoxid, Bicalutamid, Buprenorphin, Clomifen, Clopidogrel, Cromoglicinsäure, Dexpanthenol, Diclofenac, Dimeticon und Simeticon, Etilefrin, Fentanyl, Heparin, Leflunomid, Letrozol, Memantin, Morphin, Moxifloxacin, Nystatin, Oxycodon, Pramipexol, Prednisolon, Pyridoxin, Quetiapin, Rivastigmin, Temozolomid sowie mehrere H1-Antagonisten. Komplett neu ist der Festbetrag für Infliximab, außerdem wurden elf Gruppen mangels Besetzung aufgehoben.
Der G-BA legt fest, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge eingeführt werden. Der Festbetrag wird dann vom GKV-Spitzenverband festgelegt und ist der Betrag, den die Kassen maximal für das Arzneimittel bezahlen. Übersteigen die Kosten für das Präparat diese Erstattungsgrenze, zahlt der Patient entweder die anfallenden Mehrkosten oder erhält ein gleichwertiges Arzneimittel ohne Zuzahlung. Vor diesem Hintergrund gleichen die Hersteller die Preise ihrer Arzneimittel meist dem Festbetrag an. Den Apotheken drohen dann Lagerwertverluste.
APOTHEKE ADHOC Debatte