PTA-Lehrer: „Überschätzte Apotheker“ Alexander Müller, 23.01.2017 15:39 Uhr
Die Debatte über das von der Regierung geplante Rx-Versandverbot läuft auf vielen Kanälen. Der Spiegel hat sich am Wochenende über die vermeintlich extrem aggressive Lobbyarbeit der Apotheker ausgelassen. Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat sich so auffällig einseitig positioniert, dass sie immer wieder Proteste der Apotheker unter ihren Lesern hervorruft. In den FAZ-Leserbriefen liefern sich diese mit Apothekenkritikern einen Schlagabtausch. Aktuellster Einwurf: Apotheker werden überschätzt. Das Besondere daran: Der Verfasser ist selbst einer.
Reinhard Ickler stößt sich die Argumentation der Apotheker in der Debatte um das Rx-Versandverbot: „Mich stört, dass die Apotheker das Kaufmännische ihres Berufes so gar nicht wahrnehmen wollen. Die Selbstdarstellung als Sicherheitsbarriere zwischen Arzt und Patient – das stimmt ja so nicht“, so Ickler gegenüber APOTHEKE ADHOC. Das hatte er auch in einem Leserbrief in der FAZ Anfang des Jahres so zum Ausdruck gebracht.
Darauf hatte Dr. Lutz Heuer ebenfalls in einem Leserbrief geantwortet. Er ist selbst kein Apotheker, aber offenbar mit einer Apothekerin verheiratet. Aus seiner Sicht sind Apotheker „in erster Linie Pharmazeuten, die vor der Abgabe eines starken, aber wohldosierten Giftes, also eines Arzneimittels, Qualitätskriterien sicherstellen sollen“. Das sei die Verwirklichung des Vier-Augen-Prinzips, das mit dem Edikt von Salerno ab 1241 durchgesetzt worden sei. „Jeder Arzt macht Fehler, auch jeder Apotheker macht solche – doch sehr selten beide gleichzeitig. Postboten finden oft nicht einmal den richtigen Adressaten“, so Heuer.
Ickler wollte das so nicht stehen lassen und griff selbst wieder zur Feder: „Das sogenannte Edikt von Salerno des Stauferkaisers Friedrich II. hatte nicht den Zweck, eine doppelte Sicherung für den Patienten zu garantieren, sondern fortan waren die Tätigkeitsfelder von Arzt und Apotheker getrennt. Der Arzt sollte nicht auch noch an den von ihm verordneten Medikamenten verdienen, also möglichst viel verschreiben und dann auch abgeben.“, schrieb er an die FAZ.
Die „Qualitätskriterien“, die die Apotheker sicherstellen sollten – Wirkstoff, Stärke und Dosierung – könnten sich eigentlich nur auf Individualrezepturen beziehen, so Ickler. Denn die Qualität des Fertigarzneimittels müsse vom Hersteller gewährleistet sein, der auch dafür hafte. Die meisten Arzneimittel seien zudem keine starken Gifte. Wenn der Arzt aber ein solches – etwa Digitalis – verordne und der Apotheker das richtige abgebe, obliege von da an dem Patienten die Verantwortung für die richtige Einnahme nach Menge und Häufigkeit. „Fazit: Der Apotheker als letzte Kontrollinstanz nach dem Arzt wird zwar gern ins Feld geführt, in seiner Rolle aber überschätzt“, so Ickler.
Ickler möchte nicht als Apothekerfeind oder -gegner wahrgenommen werden, immerhin ist er selbst einer. Sein Studium hat er sich als Vorexaminierter selbst finanziert, allerdings hat er der Offizin schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt und sich um den Nachwuchs gekümmert: Ab 1973 unterrichtete er 30 Jahre lang an der PTA-Schule im niedersächsischen Aurich, der ersten staatlichen PTA-Schule des Landes. Er habe nach einem siebenjährigen Aufenthalt in der Schweiz seine pädagogische Ader entdeckt, berichtet Ickler.
Als Pensionär betrachtet der demnächst 78-Jährige das Geschehen in der Apotheke heute mit etwas Abstand. Ihn stört, dass die Standesvertretung das Kaufmännische des Berufes verdränge: „Apotheker sind eben in diesem Zwischenbereich: Sie haben einen gesetzlichen Auftrag, leben aber von dem Verkauf von Packungen und nicht von Dienstleistungen wie der Arzt“, so Ickler. Gegen eine Ausweitung der apothekerlichen Tätigkeit würden sich die Mediziner mit aller Kraft wehren, befürchtet Ickler. Das böse Wort vom Schubladenzieher sei daher leider nicht ganz abwegig, da die Herstellung von Arzneimitteln und Prüfung der Ausgangsstoffe fast vollständig entfallen und als pharmazeutische Tätigkeit fast nur noch die Beratung geblieben sei.
Aus seiner Sicht sollte das Studium heute nach dem Grundstudium differenziert werden, um die Pharmazeuten gezielter die Arbeit im Krankenhaus, der Industrie oder der öffentlichen Apotheke vorzubereiten. Aber das lehne die ABDA leider ab, beklagt Ickler.
Wie seine Standesorganisation dagegen für ein Rx-Versandverbot kämpft, gefällt dem pensionierten Apotheker nicht. „Die Ankündigung‚ aus allen Rohren zu schießen‘ fand ich etwas unglücklich, damit vergibt man sich Vieles.“ Auch die Unterschriftenaktion findet er daneben, sein Apotheker vor Ort habe die Listen auch gar nicht ausgelegt.
Ickler glaubt nicht, dass ein Rx-Versandverbot kommen wird. Er rechnet viel mehr damit, dass die Preisbindung auf Dauer nicht zu halten sein wird. Sein Fazit fällt leider nicht positiv aus: Er würde heute nicht in einer öffentlichen Apotheke anfangen wollen zu arbeiten. Die Debatte über seinen Berufsstand wird Ickler weiter aufmerksam verfolgen – und sich auch daran beteiligen.