Ein Jugendlicher mit transplantierter Herzklappe soll aus dem Krankenhaus entlassen werden. Der Minderjährige benötigt für das Gerinnungsselbstmanagement ein Coaguchek-Gerät. „Die Kontrolle der Blutwerte ist für den Patienten lebenswichtig und sollte sofort im Anschluss der Entlassung erfolgen“, so die Apothekerin, die ihn versorgen will. Die Barmer stellt sich jedoch quer: „Zunächst sollte die Versorgung durch die Kasse selbst eine Woche später stattfinden“, ärgert sie sich.
Der Vater des herzkranken Jungen rief einen Abend vor dessen Entlassung aus dem Krankenhaus in der Apotheke an. „Er brauchte das Coaguchek-Gerät zum nächsten Tag, da die Blutwerte jeden Tag kontrolliert werden müssen“, so die Inhaberin. Per Inrange System können Patient:innen zu Hause selbstständig ihre Gerinnungswerte im Blick behalten. „Das ist für diesen Jungen lebenswichtig, denn Menschen mit künstlicher Herzklappe haben ein erhöhtes Gerinnsel-Risiko“, erklärt die Apothekerin.
„Ich habe ihm gesagt, dass ich das Gerät schon vorab bestelle, damit es auch abholbereit ist.“ Der betroffene Patient ist bei der Barmer versichert. „Das Coaguchek-Inrange-System ist genehmigungspflichtig, also wollte ich einen Kostenvoranschlag an die Kasse schicken“, so die Inhaberin. Das erste Problem: „Es existierte keine Hilfsmittelnummer, ich benötigte eine spezielle Nummer, da das Gerät nicht gelistet ist.“ Also rief sie direkt bei der Barmer an, weil sie diese Nummer nicht fand. „Eine Mitarbeiterin teilte mit, dass diese Geräte nicht über Apotheken zu beliefern seien“, so die Apothekerin.
Mehr noch: „Man wolle über den eigenen Versandpartner eine Woche später ein Gerät an den Patienten schicken.“ Die Inhaberin lehnte diesen Vorschlag entschieden ab. „Der Patient brauchte das Gerät sofort und nicht erst Tage später.“ In der Zwischenzeit habe sich auch die Mutter des Jungen eingeschalten und probiert, bei ihrer Krankenkasse jemanden zu erreichen. „Wir telefonierten mittlerweile schon zu dritt, da auch eine meiner Mitarbeiterinnen versuchte, die Kasse zur Erstattung zu bewegen“, berichtet sie.
Da die Situation der Inhaberin recht ausweglos erschien, rief sie in dem behandelnden Krankenhaus an. „Meine Idee war, ob man dem Patienten vielleicht ein Gerät ausleihen könne, bis sein eigenes geliefert wird. Aber da es sich um einen absoluten Einzelfall handelte, konnte man uns dort auch nicht weiterhelfen“, so die Apothekerin.
Schlussendlich hieß es seitens der Barmer zunächst, man erstatte einen Bruttobetrag von 600 Euro. „Das liegt noch unter unserem Einkaufspreis“, ärgert sich die Pharmazeutin. „Die Eltern müssen demnach einen Eigenanteil von mehr als 300 Euro leisten. Das ist unfassbar.“ Der Preis für das Gerät betrage brutto 978,32 Euro, erklärt sie.
Sie habe dann aufgrund der Dringlichkeit und des höheren Einkaufspreises nochmal an die Kasse appelliert. „Eine Mitarbeiterin ließ sich darauf ein, uns 664 Euro zu erstatten. Die Eltern haben eingewilligt, den Eigenanteil von 314,32 Euro zu übernehmen“, so die Inhaberin. „Man muss sich das alles mal vorstellen. Das Kind wurde zwölf Stunden operiert, darf endlich nach Hause und dann müssen wir, während die Mutter bei uns in der Apotheke steht, mit der Kasse solche Diskussionen führen.“
Der Inhaberin tat die Situation so leid, dass sie sich entschloss, den Eltern entgegenzukommen: „Ich kenne den Jungen seit er auf der Welt ist, diese Menschen sind Stammkunden bei uns. Ich habe 150 Euro des Eigenanteils auf meine Kappe genommen. Man kann sich vorstellen, wie dankbar die Familie mir war.“
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