Lauterbachs Milchmädchenrechnung Patrick Hollstein, 21.12.2022 15:35 Uhr
Mit höheren Festbeträgen will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Vertrieb von Kinderarzneimitteln attraktiver machen. Bis zu 50 Prozent mehr sollen die Kassen zahlen – Lauterbach hofft auf schnelle Erfolge. Doch bei den Fiebersäften zeigt sich, dass das Ganze eine Milchmädchenrechnung ist.
Nach Lauterbachs Eckpunkten soll der Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Festbetragsgruppen mit nur noch wenigen Anbietern im Blick behalten und bei einem sich abzeichnenden Versorgungsengpass „die Empfehlung aussprechen, den auf Festbetrag auf das 1,5-Fache anzuheben oder die Festbetragsgruppe aufzulösen“.
Kein Effekt bei Paracetamol
Im Fall von Paracetamol-Fiebersaft bringt die Neuregelung gar nichts. Zum 1. Oktober hatte der letzte verbliebene Hersteller Ratiopharm den Preis für seine Lösung von 3,14 auf 4,97 Euro angehoben. Damit werden seitdem 1,83 Euro an Mehrkosten fällig. Oder anders ausgedrückt: Der Abgabepreis liegt bereits 58 Prozent über Festbetrag.
Zwar steigt der Festbetrag zum 1. Januar um 18 Cent, sodass die Differenz dann tatsächlich nur noch bei 50 Prozent liegt und durch die Neuregelung kompensiert werden könnte. Doch tatsächlich haben die meisten Kassen bereits erklärt, dass sie die Mehrkosten zumindest bis März übernehmen werden – sodass sich faktisch überhaupt nichts ändert.
Aufzahlung bei Antibiotika
Bei anderen Präparaten, die derzeit Schwierigkeiten machen, sieht es ähnlich aus. Der Fiebersaft von Ratiopharm mit Ibuprofen liegt ebenfalls bereits 44 Prozent über dem aktuellen Festbetrag, auch die Antibiotika von Infectopharm sind nach der Preisanpassung Ende November rund 20 Prozent teurer als die Kassen zahlen.
Lauterbach hofft dennoch, dass die Hersteller schnell anbeißen und angesichts erhöhter Festbeträge bei bestimmten Präparaten zeitnah Ware aus dem Ausland umleiten oder neu auf den Markt bringen. So hat er angekündigt, dass die Erhöhung der Preisobergrenze bei Kinderarzneimitteln sofort greifen soll. Daher habe er die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und den GKV-Spitzenverband gestern darum gebeten, „dringend die Festbeträge der genannten Kinderarzneimittel umgehend zu überprüfen und anzupassen“, so eine Sprecherin. „Dabei sollten insbesondere eine Aufhebung des Festbetrages (und Aufhebung eines möglicherweise anschließend anfallenden Preismoratoriumsabschlags) für diese Arzneimittel oder auch eine Kostenübernahme der Mehrkosten aufgrund Überschreitens des Festbetrages avisiert werden. Diese Maßnahmen sollen auch bei Antibiotika zur Anwendung bei Kindern zur Anwendung kommen.“
Alle weiteren Maßnahmen des Eckpunktepapiers seien Teil des politischen Prozess. „Wie der Minister in seinem Statement betont hat, handelt es sich um ein sehr komplexes Vorhaben. Einen genauen Zeitplan für den weiteren Prozess kann ich Ihnen noch nicht nennen.“ Allzu eilig haben es die Kassen bekanntlich nicht. Nicht, dass aus dem angeblichen Weihnachts- erst ein Ostergeschenk wird.