Als einziges Zugeständnis in der Apothekenreform plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Anhebung der Notdienstpauschale. Doch mit der Notfallreform, die in Kürze als Entwurf vorgelegt werden soll, könnte er diesen Vorteil gleich wieder einkassieren: Um den Patientinnen und Patienten den oftmals weiten Weg zur Notdienstapotheke zu ersparen, soll die Abgabe an sogenannten Notfallzentren erfolgen – entweder durch anwesende Apothekerinnen und Apotheker, oder durch die Ärztinnen und Ärzte selbst.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant im Rahmen der Reform zur Notfallversorgung die Einrichtung Integrierter Notfallzentren (INZ) beziehungsweise Integrierter Kindernotfallzentren (KINZ). Diese sollen flächendeckend entstehen – soweit die Kapazitäten es zulassen – und aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer KV-Notdienstpraxis und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle bestehen. Am gemeinsamen „Tresen“ wird entschieden, wo die Hilfesuchenden behandelt werden. Die KV-Notdienstpraxis muss sich daher in unmittelbarer Nähe der Notaufnahme befinden; perspektivisch soll sie sogar in die Räumlichkeiten integriert werden.
Am Wochenende und an Feiertagen soll die Notdienstpraxis von 9 Uhr bis 21 Uhr, Mittwoch und Freitag in der Zeit von 14 Uhr bis 21 Uhr und Montag, Dienstag sowie am Donnerstag von 18 Uhr bis 21 Uhr geöffnet sein. Längere Besetzungszeiten sind möglich. Aber auch verkürzte Öffnungszeiten sind im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung zwischen Notaufnahme und Notdienstpraxis gestattet. Allerdings muss „empirisch nachgewiesen“ werden, dass eine Öffnung aufgrund geringer Inanspruchnahme unwirtschaftlich ist.
Müssen Betroffene kurzfristig mit Arzneimitteln versorgt werden, soll dies direkt in den Notfallzentren möglich sein, und zwar während der Öffnungszeiten der Notdienstpraxis über „am oder im INZ beziehungsweise KINZ angesiedelte Apothekenstandorte“.
Dazu wird die Möglichkeit einer Kooperationsvereinbarung zwischen INZ und KINZ mit den Apotheken geschaffen. Ist keine Kooperation möglich, sollen aus der Notfallpraxis „Arzneimittel in eng begrenzter Menge zur Überbrückung mitgegeben werden können“, heißt es in dem im Januar veröffentlichten Eckpunktepapier.
Wie die Verträge aussehen, wer als Partner in Frage kommt und welche Vergütung vorgesehen ist, ist noch unklar, der Gesetzentwurf wird laut einem BMG-Sprecher derzeit intern erarbeitet. „Details und einen Zeitplan kann ich Ihnen daher zu diesem Zeitpunkt nicht nennen.“
Schon seit vielen Jahren wird diskutiert, ärztlichen Bereitschaftsdienst und Apothekennotdienst besser zu verzahnen. Im BMG scheint man die Notfallreform als einen ersten Schritt zu sehen, die klassische Notdienststruktur der Apotheken auf den Kopf stellen: „Die Apotheke kommt dorthin, wo der Notdienst stattfindet. Nicht der Kunde soll mehr 30 oder 40 Kilometer bis zur notdiensthabenden Apotheke fahren“, so Thomas Müller, Abteilungsleiter Arzneimittel, Medizinprodukte, Biotechnologie, am Dienstag bei einer Veranstaltung im hessischen Gudensberg. Auch wenn er wisse, dass man das Thema gerade bei den Kammern kritisch sehe: „Das ist ein wichtiges Ziel, das Strukturen verändern wird.“
Noch sieht das von Lauterbach geplante Modell nur einen Spätdienst bis 21 Uhr vor, so gesehen dürfte die geplante Erhöhung der Notdienstpauschale zunächst nicht tangiert sein, die ja schon seit ihrer Einführung nur bei Volldiensten gezahlt wird.
Laut Eckpunktepapier sollen die packungsbezogenen Zuschläge um rund 30 Prozent von 21 auf 28 Cent pro Rx-Packung erhöht werden. Apotheken könnten dadurch für jeden Notdienst eine Pauschale in Höhe von rund 550 Euro erhalten. Müller sprach bei der Veranstaltung sogar einmal von 50 Prozent mehr, räumte aber auch ein, dass man derzeit im Bundesfinanzministerium (MBF) noch auf Widerstand stoße. Laut BMG soll die erhöhte Notdienstpauschale eigentlich für eine bessere Verteilung sorgen: Apotheken im ländlichen Raum würden mehr Notdienste leisten als die Kolleg:innen in der Stadt – 30 bis 40 Notdienste pro Apotheke im Jahr versus rund sieben Notdienste pro Jahr.
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