Lauterbach will Kombitests freigeben Alexander Müller, 07.03.2023 09:39 Uhr
Die Abgabe von Kombinationstests an Laien ist untersagt, wenn auch auf Influenza getestet wird. Das will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ändern. Die Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) soll entsprechend angepasst werden.
Während für Corona-Schnelltests die Abgabe an Laien als Ausnahme erlaubt ist, gilt nach aktueller Regelung für Influenza-Tests der Artvorbehalt. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte Mitte Januar auf Anfrage von APOTHEKE ADHOC erklärt, dass gemäß der MPAV „Laientests zum Nachweis von Influenzaviren nicht an Laien abgegeben werden“ dürfen.
Weil beispielsweise auch HIV-Tests frei im Handel verfügbar sind, gab es reichlich Kritik an der strikten Haltung des BMG. Auf Anfrage eines Hamburger SPD-Abgeordneten teilte Minister Lauterbach nun die Kehrtwende mit: „Ich teile die Auffassung, dass der Kombinationstest einen sinnvollen Beitrag in aktuellen aber auch in kommenden Erkältungswellen darstellt, indem sie meldepflichtige von gewöhnlichen Atemwegsinfektionen zu unterscheiden helfen. Daher habe ich den Auftrag erteilt, die MPAV anzupassen und die Verfügbarkeit der Vierfach-Tests für die Laienanwendung zu ermöglichen.“
4-Fach-Tests ab Anfang Juni
Einer BMG-Sprecherin zufolge befindet sich der Referentenentwurf in der Länder- und Verbändeanhörung. „Mit der Änderungsverordnung soll die Anlage 3 zu § 3 Absatz 4 der Medizinprodukte-Abgabeverordnung um In-Vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung zum Nachweis von Influenzaviren erweitert werden. Der Entwurf bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Nach derzeitigem Zeitplan ist ein Inkrafttreten der Regelung für Anfang Juni 2023 geplant.“
Weil der Arztvorbehalt für Influenzatests eine Abgabe an Laien nach bisheriger Auffassung des BMG nicht hergegeben hat, musste der Handel reagieren. Apotheken, aber auch Drogeriemärkte und Discounter mussten die Tests aus den Regalen nehmen. Plötzlich saßen Hersteller und Händler auf massenhaft Ware, die in Deutschland im Markt nicht verkehrsfähig war. Hinter den Kulissen gab es daher intensive Bemühungen, die Politik zu einer Anpassung zu bewegen.
Praxistest zeigt Bedarf
Aktiv wurde unter anderem die Firma TAGMAH aus Hamburg, die den Selbsttest „Combo4“ (RSV/Influenza A+B/Corona) vertreibt. Bei einer Fachanwältin für Medizinrecht wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die kam zu dem Schluss, dass es auch vor der Anpassung der Rechtslage „vertretbar“ sei, einen Kombitest als Selbsttest zur Eigenanwendung auch für die Indikation von Influenzaviren an Laien abzugeben. Da es zu dieser Frage aber noch keine Rechtsprechung gebe, könne man keine abschließende rechtssichere Auskunft geben.
Die Argumentation: In §24 Infektionsschutzgesetz (IfSG) sei nur die „Feststellung“ einer der dort genannten Krankheiten oder Infektionen dem Arztvorbehalt unterstellt. Ein in Eigenanwendung durchgeführter Antigen-Selbsttest liefere aber nur ein vorläufiges Testergebnis und sei daher nicht zum Nachweis der genannten Infektionen geeignet. Die vorläufigen Testergebnisse eines Selbsttests seien auch nicht meldepflichtig gemäß § 7 IfSG.
Weiter führte die Anwältin an, dass Influenzaviren keine größere Gefahr im Vergleich zu Coronaviren oder HIV darstellen – bei denen die Abgabe an Laien zur Selbsttestung als zulässig angesehen werde. Vielmehr seien dieselben Gründe, die bei Coronaviren und HIV die Zulassung von Selbsttests rechtfertigen, nämlich das frühe Erkennen und Unterbrechen von Infektionsketten, für Influenzaviren gleichermaßen einschlägig.
TAGMAH-Geschäftsführer Axel Strehlitz hat das Gutachten auch an politisch Verantwortliche geschickt und freut sich, dass das BMG jetzt den Weg freimachen will. „Wir sind stolz, dass wir zur Klärung beigetragen haben“, so Strehlitz gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Aus seiner Sicht sind die Selbsttests gerade das frühzeitige Unterbrechen von Infektionsketten wichtig. Das habe ein Praxistest des Herstellers in Hamburg bewiesen. Einer Kinderärztin wurden im Dezember 100 Kombitests kostenlos zur Verfügung gestellt, die bei Kindern mit akuten Atemwegsinfekten zum Einsatz kamen. Ergebnis: Unter den 91 positiven Testergebnisse war nur ein Corona-Fall, aber mehr als 30 RSV-Infektionen und knapp 20 Influenza-Fälle.