Lauer-Ausfall: „Ich schicke Kunden zum Kollegen“ Carolin Ciulli, 19.07.2024 11:20 Uhr
Nur über die Notkasse kann Dr. Julia Sachse von der Phoenix-Apotheke in Mainz ihre Kundschaft versorgen. Der IT-Ausfall trifft auch ihren Betrieb und telefonische Bestellungen bei Phoenix seien nicht möglich. Deshalb verweist die Inhaberin bei E-Rezepten an eine andere Apotheke, die keine technischen Probleme hat.
Wie in vielen anderen Betrieben läuft auch bei Sachse heute nichts mehr. „Wir retten uns über die Notkasse, das ist von den Funktionen aber sehr rudimentär”, so die Apothekerin. Sie könne keine QR-Codes ausscannen, keine E-Rezepte bearbeiten und auch keine EC-Zahlungen vornehmen. „Wir können nichts nachbearbeiten oder löschen.“ Wenigstens funktioniere die Abgabe von OTC-Arzneimitteln und verschreibungspflichtigen Medikamenten, die vorrätig seien. Hilfreich sei auch, dass das Warenlager, Preise und Rabattverträge angezeigt würden.
Notlösung für Bestellungen
Da sie auch nicht bei Phoenix bestellen könne, hat sie sich ein System überlegt: Als Notlösung hat die Inhaberin drei rote Kästchen aufgestellt. In dem einen landeten verbuchte und abgeholte Bestellungen. In einem weiteren würden nicht verbuchte, aber abgeholte abgelegt und im dritten würden QR-Code-Schnipsel oder -Kopien gesammelt. Doch bei digitalen E-Rezepten muss sie passen. „Ich schicke die Kunden dann zum Kollegen“, sagt sie. Man müsse der Kundschaft eine Lösung eröffnen.
Vorab habe sie in der benachbarten Apotheke angerufen – dort funktioniere alles reibunslos. Dort werde mit Cida und Sanacorp gearbeitet. „Wir helfen uns immer untereinander. In Mainz pflegen wir eine sehr kollegiale Form der Unterstützung.“ Jeden zweiten Kunden schicke sie weg. „Es ist richtig übel. Wir sagen heute keine Ware für Kunden zu, da wir nicht wissen, wann wir wieder beliefert werden.“ Die Reaktion der Kundschaft sei „sehr verständlich. Man ist durch die Pandemie viel Kummer gewöhnt und hat eine große Leidensfähigkeit entwickelt.“
Was ist mit Umsatzausfall?
Ein Apotheker aus Bochum fragt sich, wer für den Umsatzausfall aufkommen werde. Die Summen seien bundesweit sicher beträchtlich, sagt er. Der Inhaber ist froh, dass er derzeit im Urlaub ist. „Vor Ort würde ich mich aufregen.“ Sein Team nutze die Gelegenheit und mache sauber.
Von Compugroup Medical (CGM) hat Sachse bislang keine Information erhalten. „Nichts, keine E-Mail, kein Fax, die schalten einfach ab.“ Über soziale Netzwerke habe sie von dem Problem erfahren. „Ich denke, die sind genauso ratlos, weil es kein eigenes Problem ist.“ Sachse ist froh über die Unterstützung im Team. Eine Angestellte habe bereits angekündigt, morgen bei der Nachbearbeitung zu helfen. „Wir werden den Tag heute schon überleben. Doch es zeigt, wie verletzlich wir geworden sind. Das ist die Quittung der Digitalisierung.“