Lagevrio und Paxlovid – ein Vergleich Alexandra Negt, 10.01.2022 08:59 Uhr
Bis auf Remdesivir und monoklonale Antikörper, die mittels Infusion gegeben werden müssen, war lange keine spezifische Covid-19-Therapie verfügbar. Wirkstoffe wie Dexametason können nur die allgemeinen Symptome lindern. Mit Lagevrio (Molnupiravir, Merck Sharp & Dohme) und Paxlovid (Nirmatrelvir, Ritonavir, Pfizer) stehen nun zwei neue Arzneimittel zur Verfügung – ein Wirkstoff zielt spezifisch auf Sars-CoV-2 ab.
Lagevrio (Molnupiravir) ist bereits verfügbar, auch wenn das antivirale Medikament noch keine Zulassung erhalten hat. Ärzt:innen können das Präparat patientenindividuell verordnen, Apotheken dürfen es nur auf Anforderung bestellen – eine Lagerhaltung soll nicht erfolgen, sodass stets ausreichend Packungen verfügbar sind. Zunächst hat die Regierung 80.000 Packungen beschafft.
Indikation:
Personen die an Covid-19 erkrankt und nicht hospitalisiert sind. Die Betroffenen dürfen nicht auf zusätzlichen Sauerstoff angewiesen sein. Diagnose muss mittels Antigen- oder PCR-Test gesichert sein. Bei ausschließlich vorliegendem Antigen-Schnelltests-Ergebnis muss ein PCR-Test angeschlossen werden.
Einnahme und Dosierung:
Gestartet werden sollte die Einnahme innerhalb von 5 Tagen nach dem Einsetzen von Symptomen. Fünf Tage lang werden morgens und abends vier Kapseln eingenommen. Am besten erfolgt die Einnahme alle 12 Stunden. Jede Kapsel enthält 200 mg Molnupiravir, sodass eine Einzeldosis 800 mg Wirkstoff entspricht.
Achtung:
Eine vergessene Dosis soll bis zu 10 Stunden nach dem Vergessen nachträglich eingenommen werden. Bei über 10 Stunden soll die Gabe nicht nachgeholt werden. Es darf bei der nächsten Einnahme nicht die doppelte Menge genommen werden.
Kontraindikation Schwangerschaft:
Frauen, die schwanger sind, dürfen Lagevrio nicht einnehmen. Während der Behandlung und vier Tage darüber hinaus sollte entweder eine sexuelle Abstinenz oder eine sichere Verhütungsmethode (Barriere oder hormonell plus Barriere) angewendet werden. Für Männer gilt: Nach der Einnahme sollte drei Monate lang kein Kind gezeugt werden.
Pharmakologie:
Bei Molnupiravir handelt es sich um ein Prodrug, das zum Ribonukleosid-Analogon N-Hydroxycytidin (NHC) metabolisiert wird. Erst in der Zelle bildet sich dann NHC-Triphosphat – der aktive Metabolit. Kommt es zum Einbau in die virale RNA so entstehen immer mehr „Fehler“ im viralen Genom. Die Replikation des Virus ist gestört – es kommt nicht zur Virusvermehrung. Molnupiravir wirkt demnach nicht spezifisch gegen Sars-CoV-2.
Zu Beginn der Therapie löste sich die Hoffnung, die zunächst auf den HIV-Medikamenten lag, schnell auf – Kaletra & Co. zeigten sich als nicht ausreichend wirksam. Nun tritt ein alter Bekannter erneut auf den Plan – Pfizer setzt bei seinem Covid-Medikament auf den Wirkstoff Ritonavir.
Indikation:
Auch Paxlovid (Nirmatrelvir/Ritonavir) ist noch nicht zugelassen – trotzdem kann es schon zum Einsatz kommen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat den Einsatz bei erwachsenen an Covid-19 erkrankten Personen, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen empfohlen. Somit gleichen sich die Indikationen der beiden antiviralen Medikamente Lagevrio und Paxlovid.
Dosierung:
Auch bei Paxlovid soll die Ersteinnahme innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn erfolgen. Paxlovid enthält zwar zwei Wirkstoffe, jedoch nicht in einer Tablette. Somit nehmen Erkrankte pro Einnahme 2 Tabletten mit jeweils 150 mg Nirmatrelvir und eine Tablette mit 100 mg Ritonavir ein. Diese drei Tabletten werden zweimal täglich im Abstand von 12 Stunden eingenommen. Die Dauer der Einnahme beträgt fünf Tage.
Kontraindikation Schwangerschaft:
Frauen die schwanger sind, dürfen Lagevrio nicht einnehmen. Es liegen aktuell keine Daten dazu vor, ob die beiden antiviralen Wirkstoffe in Kombination schädlich für den Embryo sind. Für Ritonavir allein liegen Daten vor. Der Wirkstoff, der zur Klasse der Proteaseinhibitoren gehört, wird seit Längerem innerhalb der HIV-Therapie angewendet (Norvir, Kaletra). Eine große Anzahl schwangerer Frauen, die während der Schwangerschaft Ritonavir einnahmen, zeigten keinen Anstieg von Geburtsfehlern. Tierexperimentelle Daten mit Ritonavir haben jedoch eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Auch bei Paxlovid wird deshalb während und vier Tage nach der Anwendung eine sichere Verhütungsmethode (Barriere oder hormonell plus Barriere), oder sexuelle Abstinenz empfohlen.
Pharmakologie:
Ritonavir hemmt die HIV-Protease. Diese ist ein Schlüsselenzym und dafür zuständig, das von der befallenen Wirtszelle produzierte Protein zu spalten. Durch die Hemmung des Enzyms kommt es zur Anhäufung nichtinfektiöser Virus-Vorstufen. Wird Ritonavir mit einem weiteren Wirkstoff kombiniert, kann es zu synergistischen Effekten kommen. Sowohl in Paxlovid als auch in kaletra sorgt Ritonavir für eine Verbesserung der Aufnahme, der Verteilung, sowie dem Abbau und die Ausscheidung anderer Proteasehemmer. Währenddessen Ritonavir also nicht Sars-CoV-2-spezifisch wirkt, hemmt Nirmatrelvir eine bestimmte Protease von Sars-CoV-2.