Ladenschlussgesetz

Sonntagsöffnungen: Reförmchen und Lippenbekenntnisse Torsten Bless, 07.08.2017 10:00 Uhr

Berlin - 

Apotheken in Berlin, Hamburg und Niedersachsen setzen sich mit verlängerten Öffnungszeiten und einem 365-Tage-Betrieb gegen den Versandhandel zur Wehr. In den übrigen Bundesländern stoßen die Kollegen an gesetzliche Grenzen, an denen sich durch die jüngsten und die kommenden Wahlen wenig ändern wird.

Volkes Stimme ist unmissverständlich, glaubt man einer Umfrage des Emnid-Instituts für Bild am Sonntag: 61 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, die Händler selbst entscheiden zu lassen, ob sie am Sonntag öffnen wollen. 39 Prozent votierten dagegen.

Das ist Wasser auf die Mühlen von Karstadt und Kaufhof. Die beiden Kaufhausmultis gründeten Ende Mai die Initiative „Selbstbestimmter Sonntag“. Sie fordern die völlige bundesweite Freigabe des einstigen Ruhetags. „Kunden, Mitarbeiter und Händler sind mündig genug, um selbst zu bestimmen, ob sie am Sonntag einkaufen, arbeiten oder verkaufen wollen“, so Karstadt-Chef Stephan Fanderl.

Dem widersprechen die beiden größten Drogerieketten. „Ich sehe keinen Anlass oder die Notwendigkeit einer bundesweit einheitlichen Regelung“, betont Erich Harsch, Vorsitzender der Geschäftsführung bei dm gegenüber dem Sonntagsblatt. „Mit der aktuellen Situation sind wir sehr zufrieden“, betonte auch Rossmann in einer Stellungnahme. Verkaufsoffene Sonntage würden nicht flächendeckend zu höheren Umsätzen führen.

Seit 2006 fallen Ladenschluss und Sonntagsöffnung in die Zuständigkeit der Länder. In den meisten von ihnen dürfen Geschäfte an bis zu vier Sonntagen jährlich geöffnet haben. Berlin gewährt sogar bis zu zehn verkaufsoffene Sonntage. Sonderregelungen gibt es für Apotheker: In der Hauptstadt, in Hamburg und Niedersachsen (und nur dort) können sie öffnen, wann und wie lange sie wollen.

In Baden-Württemberg dürfen auch Bahnhofsapotheken unbegrenzt geöffnet halten. Außerhalb der regulären Öffnungszeiten müssen sie sich auf den Verkauf von Reisemedizin beschränken. Bundesweit gilt, dass Einzelhandelsgeschäfte – also auch Apotheken – in Ausnahmefällen wie Märkten oder Stadtfesten auch am Sonntag Dienst machen können. Die Entscheidung treffen die zuständigen Landesbehörden.

Damit fallen die Apotheken in allen anderen Bundesländern unter das Ladenschlussgesetz, ausgenommen sind die Notdienste. Mit dem Regierungswechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb kommt auch Bewegung in das bevölkerungsreichste Bundesland.

„Wir werden in Nordrhein-Westfalen das Ladenöffnungsgesetz liberalisieren, damit der stationäre Handel auch einen fairen Wettbewerb zum Onlinehandel hat, damit Innenstädte belebt werden können durch Sonderaktionen und damit dem veränderten Einkaufsverhalten der Menschen Rechnung getragen wird“, kündigte FDP-Landes- und Bundesvorsitzender Christian Lindner in einem Video auf Facebook und Twitter an. Die Zahl der maximal freigestellten verkaufsoffenen Sonntage verdoppelt sich laut Plänen der Koalition unter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) von vier auf acht. Wann sie stattfinden, entscheiden die jeweiligen Kommunen.

Im Regierungsbündnis von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sitzt ein weiterer Partner mit im Boot. So fällt das Bekenntnis der neuen Allianz weitaus unverbindlicher aus. „Wir werden mit den Akteuren (Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden und Kammern) die Frage der weiteren Flexibilisierung der Sonntagsöffnungszeiten erörtern“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP.

Das verheißt nicht viel Bewegung, setzen sich doch vor allem Kirchen und Gewerkschaften gegen Liberalisierungsbestrebungen zur Wehr. Bundesweit hat Verdi in den vergangenen acht Jahren 110 Klagen gegen kommunale Stadtverwaltungen eingereicht. Die von den Städten erteilten Genehmigungen für Sonntagsöffnungen seien ungesetzlich. Den überwiegenden Teil der Prozesse hätten sie gewonnen, sagen die Arbeitnehmervertreter.

Anderswo werfen die nächsten Landtagswahlen ihren Schatten voraus. Nachdem die grüne Landtagsabgeordnete Elke Twesten zur CDU übergelaufen ist, hat die Landesregierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ihre Ein-Stimmen-Mehrheit verloren. Nun steht ein vorgezogener Urnengang am 15. Oktober an, drei Wochen nach der Bundestagswahl. Nach den letzten Umfragen liegt Rot-Grün weit hinter CDU und FDP.

Die Grünen sorgten zuvor mit einem Änderungsantrag zu ihrem Wahlprogramm für Furore. Die Vorlage sah eine Einschränkung des Onlinehandels am Sonntag vor. Die Kunden hätten weiterhin im Netz ordern dürfen, aber: „Es ist ausreichend, wenn die Bearbeitung der Bestellung am Montag passiert“, sagte Landeschef Stefan Körner dem NDR. „Die Mitarbeiter müssen nicht das ganze Wochenende bereitstehen.“ Betroffen wären davon auch die im Land ansässigen Versandapotheken gewesen.

Auf ihrem Parteitag kassierten die Delegierten den Antrag ein. Im wirtschaftspolitischen Programm ist noch von einem „besonderen Schutz des Sonntags“ die Rede. Der Online-Handel wird nicht mehr erwähnt.