Generalversammlung

Noweda: Flirt mit DAV, Attacken auf Umschau

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Essen -

Noweda-Chef Dr. Michael Kuck hat die Mitglieder der Genossenschaft bei der Generalversammlung in Essen erneut auf den Zukunftspakt eingeschworen. In einer kämpferischen Rede rief er die Apotheker nicht nur zur aktiven Teilnahme beim Pakt auf, er teilte teilweise auch heftig aus: gegen Gesundheitsminister Jens Spahn, gegen die Krankenkassen und immer wieder gegen den Wort & Bild Verlag und dessen Apotheken Umschau. Den Deutschen Apothekerverband (DAV) lud er dagegen offen zur Zusammenarbeit ein. Die Stimmung ist insgesamt hervorragend bei der Noweda – nur ganz am Ende gab es kurz Stress.

Wer die Apothekergenossenschaft Noweda verstehen will, muss einmal selbst bei einer Generalversammlung dabei gewesen sein. Samstagnachmittag, Gruga-Halle in Essen: Um 17:50 Uhr – man liegt voll im Zeitplan – werden noch Jahresabschluss und Dividendenausschüttung beschlossen, Vorstand und Aufsichtsrat entlastet. Alles einstimmig, ohne Enthaltungen, ohne eine einzige Nachfrage. Doch dann kündigt Aufsichtsratschef Dr. Matthias Lempka sichtlich verlegen Top 7 an, „ausdrücklich auf Wunsch des Vorstands“: die Anpassung der Vergütung der Aufsichtsräte.

Kuck tritt also nach seinem Lagebericht zum zweiten Mal an das Rednerpult und erklärt wortreich und von Grafiken unterstützt, warum man den Mitgliedern im Kontrollgremium gern 4000 Euro mehr zahlen würde – pro Jahr. Die letzte Anpassung habe es 2010 gegeben, seitdem sei der Marktanteil der Noweda um 7,3 Prozentpunkte gewachsen, der Umsatz um 110 Prozent und neun neue Niederlassungen gebe es regelmäßig zu kontrollieren, teilweise im Ausland. Widerstand gegen diese eher bescheidene Anpassung ist nach dieser Rede nicht zu erwarten.

Und dann gibt es diesen Noweda-Moment: Ein Apotheker im Publikum meldet sich zu Wort und befindet die Erhöhung für viel zu niedrig. Er schlägt vor, das Salär von 12.000 auf 20.000 Euro zu erhöhen – so viele bekommen Aufsichtsräte durchschnittlich auch in weniger erfolgreichen Genossenschaften. Weil der stellvertretende Vorsitzende das 1,5-Fache und der Vorsitzende das Dreifache Honorar bezieht, ist Lempka nun vollends verlegen. Es gehe bei dem Job ja nicht um das Geld. Aber wenn der Kollege durchaus wolle, müsse er sein Ansinnen technisch gesehen als Antrag einbringen. Was dieser dann auch tut. Nach kurzer Gegenrede – Überprüfung des Aufwands und Wiedervorlage im nächsten Jahr – beantragt ein findiger Apotheker geheime Abstimmung. Ergebnis: Der Vorschlag des Vorstands wird frenetisch angenommen, der Plus-Plus-Vorschlag des Mitglieds abgelehnt. Den Burda-Vertretern vorne im Saal ist das Erstaunen ob dieser Ereignisse anzusehen.

Die neuen Freunde der Noweda vom Medienkonzern kommen aus einer anderen Welt. Das war schon nach dem Burda-inspirierten Imagefilm am Anfang der Veranstaltung klar. Der war so schnell, basslastig und laut, dass man sich um die Gesundheit einiger betagter Ehrengäste sorgen mochte. Aber bei Noweda sind sie ganz beseelt von dieser neuen Partnerschaft und den ersten Erfolgen des Zukunftspakts. Das „On-Boarding“ habe man gemeistert, berichtete Kuck: 10.000 Apotheken auf IhreApotheken.de, Apostore und Pharma Privat an Bord geholt, eine Schnittstelle in die Warenwirtschaft von Pharmatechnik geschaffen. Und mit der von Burda übernommenen Gesundheitsplattform Netdoktor habe der Zukunftspakt eine viel größere Reichweite als die Apotheken Umschau, verkündete der Noweda-Chef.

Es war nicht die erste Spitze gegen die Konkurrenz aus Baierbrunn und es sollte nicht die letzte sein: „Wer jetzt noch behauptet, der Zukunftspakt sei eine Insellösung, der hat entweder keine Ahnung, oder er ist vom Wettbewerb. Oder beides.“ Für diesen verbalen Tiefschlag gegen Wort & Bild-Chef Andreas Arntzen erntete Kuck Applaus und Gelächter.

Kurz davor hatte er schon einmal ausgeteilt: „Es gibt ja Stimmen im Markt, die sagen, dass aktuell niemand eine Vorbestell-Plattform braucht.“ Vielleicht sei das eher der Tatsache geschuldet, dass man mit den eigenen Angeboten noch nicht so weit ist, lästerte Kuck. Und überhaupt sollte sich jeder Apotheker überlegen, wer letztlich über seine Plattform bestimmt und wer den Online-Zugang zu den Vor-Ort-Apotheken kontrolliere.

Aus diesem Grund sehe man übrigens die DAV-App gerade nicht als Konkurrenz: „Noweda als apothekereigenes Unternehmen ist ausdrücklich bereit, mit dem Deutschen Apothekerverband zusammenzuarbeiten“, so Kuck. Die Noweda werde auf jeden Fall bereit sein, wenn die Spezifikation der Gematik zum E-Rezept vorliege. Zwar sei IhreApotheken.de noch nicht so bekannt wie DocMorris, aber die niederländische Versandapotheke gebe es auch schon 20 Jahre, den Pakt erst 236 Tage. Aber Kuck meint schon aufkommende Nervosität in Heerlen zu beobachten: Wenn DocMorris jetzt selbst an einer Plattform unter Einbindung von Vor-Ort-Apotheken arbeite, sei das „ein ziemlich durchsichtiges Manöver“ und „ein vergiftetes Angebot“.

Jetzt sei es an den Apothekern, den Zukunftspakt mit Leben zu füllen. Wer die Kunden auf die Plattform anspreche, erhalte erkennbar mehr Bestellungen darüber. Die Noweda könne nicht „die Leute im Internet auf IhreApotheken.de schaufeln“. Ein Apotheker empfahl den Kollegen in der anschließenden Diskussion, auf den QR-Code auf der Rückseite der MyLife hinzuweisen. Dass er dabei erst „Umschau“ gesagt hatte, sorgte wieder für große Heiterkeit im Saal.

Und Kuck war jetzt voll auf Attacke: Er bedankte sich bei einem Mitglied, dass dieser die Umschau schon gekündigt habe. Und er sprach von 100 Millionen Euro, die die Apotheker Jahr für Jahr nach Baierbrunn überwiesen. „Der Betrag ließe sich ganz einfach halbieren“, so Kuck mit Verweis auf die niedrigeren Kosten der eigenen Zeitschrift. Wenn er daran denke, wie lange und hart für 15 Millionen Euro für die BtM-Dokumentation gestritten werden müsse.

Auch die Politik bekam ihr Fett weg, vor allem Spahn. Dessen „Apothekenstärkungsgesetz“ sei „Neusprech“ und Manipulation im besten Orwellschen Sinne. Zwar gebe es in dem Gesetz auch gute Dinge. „Aber das, was für die Zukunftsfähigkeit unseres Apothekensystems wirklich bedeutend ist, das gibt dieses Gesetz nicht her“, so Kuck. Und damit meine er nicht einmal das Rx-Versandverbot, um das Spahn sich einfach nicht kümmere, sondern um die zweifelhafte Lösung zur Herstellung der Gleichpreisigkeit. Deshalb sei es auch richtig gewesen, die Petition von Pharmaziestudent Benedikt Bühler zu unterstützen. Der war natürlich auch da und wurde mit viel Applaus bedacht.

Für die notorisch guten Zahlen gab es ebenfalls brav Applaus. Zwar versuchte Kuck, die ja wirklich stattliche Dividende von 11 beziehungsweise 13,2 Prozent etwas stärker zu inszenieren. Aber ohne allzu große Resonanz. Die Genossenschaft schüttet eben auch zum 30. Mal in Folge in dieser Höhe aus – die Mitglieder hatten wohl irgendwie damit gerechnet. Am Montag gehen die Überweisungen raus.

Allein fast 42 Millionen Euro entfallen laut Kucks Bericht im Umlaufvermögen auf die höheren Lagerbestände – um die Lieferfähigkeit zu garantieren. „Ich gebe aber zu, dass es seit vielen Monaten nicht einfach ist, dieses Ziel zu verfolgen“, so Kuck. „Die Sparmaßnahmen der Krankenkassen und vor allem die unsäglichen Rabattverträge machen es immer schwerer, Patienten in Deutschland angemessen zu versorgen.

So seien 2216 Pharmazentralnummern zwischen Juni und August dauerhaft nicht lieferbar gewesen. Zumindest mit einem Flyer will die Noweda die Apotheken in der Kommunikation mit den Kunden unterstützen. Und mit Blick auf die stets relativierenden Aussagen der „Kassenmanager“ fragte Kuck in die Runde: „Können Sie sich an Lieferengpässe in der Zeit vor den Rabattverträgen erinnern? Ich nicht!“

Zum Abschluss wurden noch zwei neue Mitglieder für den Aufsichtsrat gewählt. Denn Brigitte Keil scheidet aus Altersgründen aus und Ulrich Pollmann hat seine Apotheke abgegeben, was laut Satzung ebenfalls ein Ausschlusskriterium ist. Für Pollmann wurde Sylke Bergmann neu in den Aufsichtsrat gewählt, für Keil rutschte Dr. Michael Teuber nach, der bei der letzten Wahl das Ersatzmitglied mit den meisten Stimmen war. Außerdem wurde Dr. Arnt Heilmann für drei weitere Jahre wiedergewählt. Und wer weiß, vielleicht bekommen die Aufsichtsräte ja im kommenden Jahr wieder eine Gehaltserhöhung, wenn es bei der Noweda weiter gut läuft.

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