Noweda will politisch Druck machen

Kuck: „Das bräsige ‚Weiter so‘ durchbrechen“

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Essen -

Die Noweda sieht sich traditionell nicht nur als Großhändler, sondern auch als Sprachrohr und Kampfeinheit der Mitglieder gegenüber der Politik. Bei der Generalversammlung der Genossenschaft ging der Vorsitzende Dr. Michael Kuck die politisch Verantwortlichen und namentlich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) scharf an. An ein Rx-Versandverbot glaubt der Chef des Großhändlers allerdings auch nicht mehr so recht.

Spahn habe die Apotheker auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) enttäuscht, das Rx-Versandverbot werde immer noch nicht ernsthaft angegangen. „Machen wir uns keine Illusionen“, so Kuck, das Rx-Versandverbot sei seit dem DAT „in weite Ferne gerückt“. Rechtliche Bedenken und Fragen der Staatshaftung hält Kuck allerdings für vorgeschobene Argumente. Schließlich gebe es „nicht wenige Rechtsexperten, die völlig anderer Meinung sind als Jens Spahn“.

Kuck glaubt, dass es in Wahrheit die Angst vor dem digitalen Zeitgeist ist, der auch über Spahn schwebe. Es sei die Angst, als altmodisch und rückwärtsgewandt zu gelten. „Die Angst davor, den Menschen erklären zu müssen, warum sie ihre verschreibungspflichtigen Medikamente besser nicht mehr im Netz kaufen sollen“, so Kuck. Die Zusammenhänge könnte man den Menschen erklären. „Wenn man es denn wollte.“ Jetzt müsse man hoffen, dass Spahn in die Sicherstellung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung genauso viel Zeit investiere wie in die Planung seiner nächsten Karriereschritte, stichelte Kuck.

Man werde weiter politischen Druck aufbauen, „um das bräsige ‚Weiter so‘ zu durchbrechen, das sich die gesundheitspolitisch Verantwortlichen in den letzten Jahren für die deutschen Apotheken geleistet haben“. Die flächendeckende Versorgung sei gefährdeter denn je, im Gegenzug nehme die Bürokratie immer weiter zu.

Kuck hatte seine Rede gravitätisch begonnen: „Oktober 1492.“ Die Entdeckung Amerikas. Natürlich mit aktuellem Bezug zum Projektteam „1492“ des Versandriesen Amazon, der sich den Gesundheitsmarkt erschließen will wie einst die Siedler den neuen Kontinent. Amerika sei 1492 ebenfalls „mitnichten ein jungfräulicher Kontinent“ gewesen, erinnerte der Noweda-Chef, sondern ein Land mit seiner eigenen Geschichte, seinen eigenen Königreichen. Von Eroberung und Auslöschung sprach Kuck, von der Zerstörung aus Gier und Rücksichtlosigkeit.

Und so könnte es auch dem deutschen Apothekenmarkt gehen, wenn Amazon ernst macht. Denn um faires Miteinander gehe es dem Konzern nie. Um im Bild des Noweda-Chefs zu bleiben: Diesmal sollen die Indianer gewinnen, nicht die Cowboys. Kuck sieht durchaus eine Chance: „Apotheken sind gemeinsam stark.“ Sie hätten alle Möglichleiten, und sie hätten ihre Noweda, begann die verbale Umarmung der Mitglieder.

Er warb bei den Apothekern leidenschaftlich für die Teilnahme am „Zukunftspakt“ mit dem Medienkonzern Burda. Bislang haben sich 3700 Apotheken eingeschrieben. Die Mitglieder sollen auch Kollegen hzum Mitmaschen animieren: „Wir haben nur ein kleines Zeitfenster. Wenn es nicht gelingt, den Zukunftspakt in diesem Zeitfenster mit Leben zu füllen, bevor die ausländischen Versender noch größer werden und bevor Amazon in den Markt eintritt, dann wird es schwer. Und vielleicht sogar unmöglich“, warnte Kuck.

Der Großhändler will mit seiner Kampagne „Alle 38 Stunden“ seinen Teil dazu beitragen, die Politik auf die brennenden Themen aufmerksam zu machen. Bis zum Jahresende werden noch Anzeigen im Focus geschaltet und die intensivierte Zusammenarbeit mit Burda wird sicherlich weitere Möglichkeiten eröffnen. Was die Fortführung der Kampagne angeht, sieht Kuck sogar für die von einem Mitglied ins Spiel gebrachten Fernsehspots „Möglichkeiten“, wollte darauf aber noch nicht näher eingehen.

Gute Zahlen konnte Kuck präsentieren: Erstmals hat die Genossenschaft in der Gruppe die Umsatzschwelle von 7 Milliarden Euro genommen, die Hälfte des Umsatzzuwachses entfiel auf die Übernahme von Ebert + Jacobi. Mit einem Markanteil von 22 Prozent hat Noweda die Position 2 im Markt hinter Branchenprimus Phoenix gefestigt: Mit einem Plus von 6,4 Prozent lag die Noweda auch ohne die Übernahme 3,8 Prozentpunkte über dem Marktwachstum (2,6 Prozent). Allerdings ist der Rohertrag weiter gesunken und erstmals unter die 5-Prozent-Linie gefallen. Abbau von Leistungen oder die Freisetzung von Beschäftigten seien aber bei der Noweda kein Thema, versicherte Kuck.

So eng scheint es auch nicht zu sein: Die Mitglieder konnten wie gewohnt die vorgeschlagene Dividende von 11 Prozent auf die Grundanteile und 13,2 Prozent auf die freiwilligen Geschäftsanteile abnicken. Etwa 24 Millionen Euro bringt die Noweda unters Volk. Kuck bemängelte scherzhaft, dass er an dieser Stelle seines Berichts eigentlich eine Pause für Applaus vorgesehen hatte. „Vielleicht ist das zu selbstverständlich geworden, wir sollten vielleicht mal niedrigere Sätze nehmen“, sagte Kuck. Da lachte der Saal beschwichtigend.

26,8 Millionen Euro hat die Noweda im vergangenen Geschäftsjahr investiert, vor allem in die Hamburger Niederlassung und die Essener Hauptverwaltung. Aber auch für Securpharm muss der Großhändler Kuck zufolge 7 Millionen Euro investieren, um die neuen Vorschriften umzusetzen.

Dass die Noweda erstmals unter dem Strich 84 Mitglieder verloren hat, sorgt bei der Genossenschaft nicht für Unruhe – im Gegenteil: 423 Mitgliedern wurde auf Grundlage einer Satzungsänderung gekündigt, da sie über zwölf Monate nicht mehr bei der Noweda bestellt hatten. „Rosinenpicker haben in der Noweda nichts verloren“, so Kuck. Natürlich seien die Apotheker frühzeitig über den bevorstehenden Schritt informiert worden. Einige hätten die Geschäftsbeziehung wieder aufleben lassen, andere nicht. Und von diesen habe man sich konsequent getrennt.

Vorstand und Aufsichtsrat wurden bei der Generalversammlung entlastet, die Aufsichtsratsmitglieder Brigitte Keil und Katja Wrede wiedergewählt. Der im Juni ausgeschiedene langjährige Noweda-Vorstand Rudolf Strunk wurde mit der Günther-Büsch-Ehrengabe ausgezeichnet. Er ist seit 1982 Mitglied der Noweda, war ab 1987 im Aufsichtsrat der Genossenschaft und zwischen 2009 und Juni dieses Jahres im Vorstand. Satzungsgemäß schied er mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr aus. Seine Alte Apotheke in Recklinghausen führt er bis heute.

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