Ein Raubüberfall ist eine Belastungsprobe für das ganze Apothekenteam. Apotheken sind ein beliebtes Ziel: Es gibt nicht nur Geld, sondern auch Arzneimittel zu holen, die meisten Mitarbeiter sind Frauen und die Teams sind nicht groß. Doch hilflos ausgeliefert ist man Räubern nicht: Es gibt Strategien, mit denen man Tätern die Arbeit zunächst erschweren kann und die Chancen erhöht, einen Überfall glimpflich zu überstehen.
Das Präventionszentrum der Polizei Bremen empfiehlt beispielsweise, für Übersichtlichkeit und ausreichende Beleuchtung im Außenbereich zu sorgen. Außerdem wird dazu geraten, Geld nur hinter verschlossenen Türen zu zählen und für einen Blickschutz von außen zu sorgen. Prinzipiell sollte beim Betreten und Verlassen des Betriebes auf das Umfeld geachtet werden, auf verdächtige Personen und Fahrzeuge.
„Gewaltprävention muss systematisch angegangen werden“, sagt Claudia Vaupel, Psychotraumatologin bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Einrichtungen im Gesundheitswesen. Das Thema ist aus ihrer Sicht Chefsache: „Der Apothekenleiter ist für den Arbeitsschutz verantwortlich und muss sich darüber Gedanken machen, wie er seine Mitarbeiter schützt – nicht nur vor Chemieunfällen oder ähnlichem, sondern auch bei Raubüberfällen“, so Vaupel.
Am Anfang steht eine Gefährdungsanalyse möglicher Gewaltsituationen. Dabei sollte man sich und die Mitarbeiter fragen, was passieren kann, wie wahrscheinlich solch ein Fall ist und wie schlimm es werden kann. „Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber ist eine gesetzliche Pflicht“, betont Vaupel. „Alle möglichen Gefährdungen körperlicher wie psychischer Art sind zu berücksichtigen. Und dazu gehört auch die Traumagefährdung, denn einen Überfall kann man nie hundertprozentig ausschließen.“
Nach der Bewertung möglicher Gefahrensituationen werden entsprechende Schutzmaßnahmen nach dem sogenannten TOP-Prinzip entwickelt: technische, organisatorische und personenbezogene Vorkehrungen. Die verschiedenen Maßnahmen sollten ineinander greifen und sich sinnvoll ergänzen. Ein Alarmknopf nützt nichts, wenn die Mitarbeiter nicht wissen, wo er ist oder was er genau auslöst.
An erster Stelle stehen Vaupel zufolge baulich-technische Vorkehrungen, um die Gefährdung zu reduzieren. „Dabei können verschiedene Aspekte berücksichtigt werden: Gibt es Büsche vor der Tür, die den Eingangsbereich uneinsichtig machen? Kann der Eingang besser ausgeleuchtet werden? Kann ein Angreifer durch die Notdienstklappe durchgreifen? Gibt es einen Alarmknopf in Reichweite oder kann ein Mitarbeiter hinten telefonieren, ohne dass ein Räuber dies bemerkt? Ist die Installation von Überwachungskameras oder Alarmsystemen sinnvoll?“
Zu den organisatorischen Vorkehrungen gehören Standards für einen Überfall, die allen Mitarbeitern – auch Berufsanfängern – bekannt sein müssen. „Dazu zählt ein Notfallplan: Wer muss wann angerufen werden? Unter welcher Nummer sind der Chef, Angehörige oder die Versicherung erreichbar? Was muss nach dem Überfall erledigt werden?“, erklärt Vaupel die entscheidenden Fragen.
Am Ende stehen die personenbezogenen Vorkehrungen. Dazu gehört beispielsweise, die Beschäftigten zu qualifizieren und zu erklären, wie man sich bei einem Überfall verhalten muss. Vaupel: „Dass man beispielsweise für den Täter kooperativ und berechenbar bleibt, indem man immer sagt, was und warum man das tut: ‚Ich gehe jetzt nach hinten, um das Geld zu holen, das dauert eine Minute.‘“
Die Polizei Bremen gibt Tipps zum richtigen Verhalten bei Raubüberfällen. Zunächst müsse man sich vor Augen führen, was der Täter überhaupt wolle: schnell rein und mit der Beute schnell wieder raus – aber nicht die Mitarbeiter. „Sie sind ein Hindernis“, verdeutlicht Reinalt Kowalewski. „Halt Sie ihn nicht auf. Helfen Sie ihm.“
Ein Überfall sei für beide Seiten eine Stresssituation, verdeutlicht der Polizist. Um so wichtiger ist es, einen „Wenn-Dann-Plan“ verinnerlicht zu haben: „Wenn ein maskierter Räuber mein Geschäft betritt, dann bleibe ich ruhig und vermeide hastige Bewegungen.“ Kowalewski betont auch, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: „Leben und Gesundheit stehen im Vordergrund.“
Er empfiehlt, sich nicht hektisch zu bewegen und nicht um Hilfe zu rufen. Man sollte möglichst ruhig und höflich bleiben, dem Täter aufmerksam zuhören und seine Anweisungen befolgen. Die Hände sollte man gut sichtbar halten und keinesfalls Waffen gegen den Räuber einsetzen. Der Fluchtweg sollte offen bleiben und nicht versperrt werden. Kowalewskis Kernbotschaft ist, durch Vorbereitung im Ernstfall handlungsfähig zu bleiben. Das gelinge durch Üben der Situation – selbst im Kopf. „Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen echtem Üben und dem Gedankenspiel.“
Wichtig sei es, sich die Täterbeschreibung einzuprägen, sagt Kowaleswki. „Für die Personenbeschreibung sind unveränderliche Kennzeichen und die Kleidung, dabei besonders Hose und Schuhe, wichtig, da Täter diese in der Regel nicht wechseln.“ Die Polizei fragt aber auch nach Haarfarbe, Haarlänge, Gesicht – Brille? Bart? Pickel oder Narben? Gebräunt oder blass? - und Auffälligkeiten bei Augen, Brauen, Nase oder Mund. Wie groß der Täter war, kann man sich beispielsweise anhand einer Türmarkierung merken. Auch auf die Sprache sollte man achten: Redet der Täter mit besonders hoher oder tiefer Stimme? Stottert oder lispelt er? Spricht er mit Dialekt oder Akzent?
Hilfreich für die Suche nach dem Räuber ist eine Videoüberwachung. Die Polizei empfiehlt Farbkameras mit keiner oder einer möglichst verlustfreien Komprimierung bei der Datenspeicherung. Bei der Installation der Kameras sollten Spiegelungen und Gegenlicht berücksichtigt werden. Zur Abschreckung sollten sie gut sichtbar angebracht sein, gleichzeitig aber so, dass sie nicht einfach zerstört oder mitgenommen werden können.
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