Kriminalität

Überfall – und nun?

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Berlin -

Ein Raubüberfall ist für die betroffenen Mitarbeiter ein Extremereignis – selbst wenn er glimpflich und ohne körperliche Verletzungen abläuft. Das Risiko für psychische Gesundheitsfolgen ist hoch. Um einen größeren Schaden zu verhindern, darf nicht zu spät reagiert werden. Deshalb sollten Apotheker einen Überfall immer als Arbeitsunfall melden, damit den Betroffenen schnell geholfen werden kann.

Direkt nach einem Überfall geht es zunächst um die Schadensbegrenzung: Für Verletzte muss Erste Hilfe geleistet werden. Dann wird die Polizei informiert, die wissen möchte, wer sich meldet und was wo und wann passiert ist. Zeugen sollten gebeten werden, auf die Polizei zu warten. Währenddessen sollte man mit den Überfallopfern an einem ruhigen Ort zuhören. Parallel kann Hilfe, etwa durch den Chef oder Angehörige, organisiert werden. Den Geschäftsbetrieb sollte man einstellen und versuchen, keine Spuren zu verwischen.

Zeitnah sollte man sich auch um die weniger offensichtlichen Verletzungen kümmern. Denn ein Überfall ist für Täter und Opfer eine Stresssituation: „In so einer Situation besinnt sich der Mensch auf seine Urreflexe. Betroffene beschreiben, dass sich ihr Gehirn wie Gummi angefühlt hat und sie keinen klaren Gedanken fassen konnten“, erklärt Susanne Pelka von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).

Solche emotional hoch belastenden Erlebnisse können verschiedene Folgen haben. Manche grübeln lange darüber und vernachlässigen unbewusst andere Lebensbereiche, andere meiden möglichst alles, was sie an das Ereignis erinnert und schränken ihren Handlungsspielraum somit immer mehr ein. Aus Sicht von Pelka ist es wichtig, sich die Relevanz vor Augen zu führen: „Psychische Probleme sind nicht so offensichtlich wie beispielsweise ein Beinbruch – aber genauso ein Leiden.“

Gleichgültige, vorwurfsvolle oder abwertende Reaktionen vergrößern die Not der Betroffenen. „Man sollte zuhören und Verständnis für die Situation aufbringen“, empfiehlt Pelka Chefs und Kollegen. „Wenn man Veränderungen bemerkt, sollte man dies ansprechen und Hilfe anbieten, aber nicht aufdrängen.“

Wichtig ist aus ihrer Sicht, möglichst frühzeitig psychologische Hilfe anzubieten. Die BGW beispielsweise zahlt für Betroffene fünf probatorische Sitzungen bei einem Psychotherapeuten. Dafür muss die Unfallversicherung informiert werden. „Ist der Betroffene nicht körperlich verletzt, wird aber häufig überhaupt keine Unfallmeldung erstellt“, heißt es bei der BGW. Wenn Apotheker einen Raub bei der Versicherung melden, nimmt diese Kontakt zu den betroffenen Mitarbeitern auf und bietet ihnen die Vermittlung zu einem Psychotherapeuten an.

„Wichtig ist, dass man schnell handelt“, betont Pelka. „Denn auch bei psychischen Problemen gilt: Schnell hilft doppelt. Wenn man schon in einem Vermeidungsverhalten drin ist, dann wird es schwieriger, wieder heraus zu kommen.“ Wenn nichts getan wird, kann sich aus einer akuten Belastungsreaktion eine akute Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder eine Angststörung entwickeln. Unbehandelt kann diese zu einer depressiven Störung oder sogar zum Substanzmissbrauch führen.

Um das zu verhindern, sind auch die Angehörigen und Kollegen gefragt, ein Auge auf die Betroffenen zu haben. Pelka rät: „Man sollte auf Auffälligkeiten oder Wesensveränderungen achten: Meldet sich der Mitarbeiter krank? Wirkt er angespannt? Ist er schreckhafter als sonst? Will er nicht mit dem Rücken zum Verkaufsraum stehen?“

Bei solchen Signalen sollte man den Betroffenen ansprechen. Man kann aber auch selbst Kontakt zu BGW aufnehmen und Rat bei den Experten suchen und sich beraten lassen. Dass sich Betroffene nach Extremerfahrungen zurückziehen und nicht von sich aus Hilfe suchen, ist normal. „Sich erstmals mit sich selbst auseinanderzusetzen, ist schwierig“, erklärt Pelka.

Die Bedürfnisse der Betroffenen sind unterschiedlich. „Was man braucht, hängt von vielen Faktoren ab: den eigenen Erlebnissen in der Vergangenheit, der Persönlichkeit, dem Ablauf des Überfalls, den verwendeten Mitteln und vielem mehr“, so Pelka. Schwierig kann es werden, wenn bei einem Überfall zwei Angestellte im Raum sind – und es einer besser wegsteckt als der andere. „Wichtig ist, dass man sich nicht vergleicht. Jeder hat den Überfall anders erlebt, hat andere Erfahrungen mit Gewalt gemacht und eine andere Persönlichkeit.“

Betroffenen rät Pelka, sich vor Augen zu führen, dass der Überfall nichts Persönliches ist: „Der Räuber will an das Geld oder die Arzneimittel und der Mitarbeiter ist in diesem Moment ein Hindernis, dass der Täter überwinden will.“ Prinzipiell solle man das tun, was einem gut tue. Arbeitgeber könnten ihre Angestellten unterstützen, indem sie in Präventionsmaßnahmen – etwa Schulungen oder eine Kameraüberwachung – investieren und so ein Gefühl von Sicherheit schaffen.

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