Wer in der Vergangenheit für sein Privathaus oder den Bau einer Apotheke einen Kredit aufgenommen hat, kann mit guten Aussichten Geld von der Bank zurückfordern. Denn einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg zufolge enthalten neun von zehn Immobilienkreditverträge Widerrufsbelehrungen, die den gesetzlichen Anforderungen nicht standhalten.
Das Widerrufsrecht in Kreditverträgen muss bestimmte Anforderungen erfüllen. Die Belehrung muss eindeutig, umfassend und grafisch vom übrigen Vertragstext abgehoben sein. Die Verbraucherzentrale hat mehr als 3300 Darlehensverträge unter die Lupe genommen. Nur selten war demnach alles in Ordnung, in 90 Prozent der 1500 zuletzt geprüften Fälle gab es Mängel.
Teils wurde nicht richtig über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt oder es fehlten Hinweise zu den Rechtsfolgen eines Widerrufs. Kritisiert wurden von den Verbraucherschützern auch verwirrende ergänzende Formulierungen sowie das Fehlen einer Adresse für den schriftlichen Widerruf. Das kann Folgen haben: Bei strenger Auslegung beginnt die ansonsten 14-tägige Widerrufsfrist nicht, wenn die entsprechenden Klauseln in den Verträgen fehlerhaft waren.
Eigentlich sollte der Bundesgerichtshof (BGH) im Juni in einem entsprechenden Fall entscheiden. Doch ein womöglich verbraucherfreundliches Grundsatzurteil blieb aus, da die Kläger ihre Revision im letzten Moment zurückzogen. Weil es dafür keinen ersichtlichen Grund gab, wird von einer für die Kunden lukrativen Einigung mit der Bank ausgegangen. Eine Klatsche in Karlsruhe hätte für die Banken auf lange Sicht teurer werden können. Immerhin hatte der BGH im Streit um ungerechtfertigte Kreditgebühren im vergangenen Jahr zu Gunsten der Bankkunden entschieden.
Doch auch ohne Grundsatzurteil können Kreditnehmer versuchen, ihre Verträge zu widerrufen. In vielen Fällen lassen sich in einem Vergleich dann bessere Konditionen aushandeln. Ein Widerruf bewirkt eine Rückabwicklung des Vertrags. Der Kreditnehmer muss dann innerhalb von 30 Tagen das komplette Darlehen an die Bank zurückzahlen – gegebenenfalls über einen neuen Kredit bei derselben oder einer anderen Bank. Die Bank ist dann verpflichtet, alle gezahlten Tilgungsleistungen und Zinsen zurück zu zahlen.
In Verhandlungen mit der Bank sind auch andere Lösungen möglich. Nahe liegend ist eine Umschuldung auf einen neuen Vertrag mit günstigeren Zinsen auf dem aktuellen Niveau. Interessant kann auch eine Senkung der Vorfälligkeitsentschädigung sein. Der Zinsvorteil kann dann laut Verbraucherzentrale mehrere Zigtausend Euro ausmachen. Selbst eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung kann man bei erfolgreichem Widerruf zurückfordern.
Eklatante Fehler fanden die Verbraucherschützer etwa in den Verträgen von Volksbanken und Sparkassen. Gerade kleinere Banken seien daher eher zu Vergleichen bereit. Betroffen ist laut einer Aufstellung der Verbraucherzentrale auch die Hausbank vieler Apotheker, die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank).
Das Widerrufsrecht für Immobilienkredite wurde im November 2002 eingeführt. In den Verträgen konnten die Banken Musterformulierungen verwenden, die der Gesetzgeber vorgegeben hatte. Kreditverträge mit genau diesen Formulierungen können nicht angegriffen werden. Doch die meisten Bankhäuser benutzen eigene Texte – und die entsprachen selten den gesetzlichen Vorgaben. Erst ab 2010 waren die meisten Verträge nach den Recherchen der Verbraucherzentrale fehlerfrei.
Natürlich ist auch die Kontrolle der Verträge mittlerweile ein Geschäft: Spezialisierte Anwälte bieten ihre Dienste an und führen notfalls die Klage vor Gericht. Die Verbraucherzentrale Hamburg nimmt 70 Euro pro geprüftem Vertrag und gibt dann Tipps, wie man seine Ansprüche selbst durchsetzen kann. Die Verbraucherschützer bitten in diesem Zug gleich noch um Spenden, Stichwort: „Immobilienkredit“.
Die Regierung könnte dem „ewigen Widerruf“ allerdings demnächst ein Ende machen, vermuten Finanzexperten. Demnach könnte im Sommer 2016 Schluss sein mit der nachträglichen Kündigung. Bis dahin haben Verbraucher aber auf jeden Fall gute Karten.
APOTHEKE ADHOC Debatte