Rezeptprüfung

Die dreisteste Retax aller Zeiten? Alexander Müller, 01.08.2016 10:02 Uhr

Berlin - 

Krankenkassen haben immer wieder neue Gründe entdeckt, um Apotheker nicht bezahlen zu müssen. Doch Retaxationen aufgrund von Formfehlern sind seit der Neuregelung im Rahmenvertrag schwieriger geworden. Absurde Fälle gibt es immer noch. Apotheker Alexander Fischer aus Dierdorf möchte wissen: „Habe ich die dreisteste Retax aller Zeiten?“ Seine Chancen stehen nicht schlecht.

Der Betrag, den die IKK Classic der Dorotheen-Apotheke abziehen möchte, ist verglichen mit fünfstelligen Horror-Retaxationen vergleichsweise harmlos: Es geht um 742,90 Euro. Die Würze liegt in der Begründung der Retaxation. Die Kassen behauptet, Fischer habe für die verordneten Arzneimittel einen viel zu hohen Preis veranschlagt.

Auf dem Rezept waren Ibuprofen und Torasemid verschrieben. Laut Rezeptimage wurden mit der IKK Classic 17,42 Euro und 19,22 Euro abgerechnet, insgesamt also 36,64 Euro. Das macht die Retaxation in der vorgenommenen Höhe schon etwas verdächtig.

Vollends erstaunt war Fischer, als er den Grund der Korrektur der Kasse sah. Angeblich hatte er für das Ibuprofen 777,77 Euro in Rechnung gestellt, der Betrag wurde von der Kasse auf 17,42 Euro korrigiert. Laut der Prüfstelle hätte Fischer das Torasemid dagegen umsonst abgegeben, hier wurde der Betrag 19,22 Euro eingetragen.

Die Kasse gibt als Gründe „PZN-Korrektur“, „Preiskorrektur“ und „Erfassungsfehler Rechenzentrum-Betrag“ an. Auf dem mit der Retaxation übersandten Kopie des Rezeptimages stimmen alle Daten. Daher ist nicht klar, wo der Fehler aufgetreten ist.

Auf Nachfrage teilte ein Sprecher der Kasse zunächst mit, dass man einzelne Geschäftsvorfälle gegenüber Dritten nur mit der gebotenen Zurückhaltung kommentiere. „Zum vorliegenden Fall reicht vielleicht bereits der Hinweis, dass Rezepte ja eine längere Kette von Bearbeitungsschritten durchlaufen und dabei an verschiedenen Stellen, etwa beim Einlesen/Scannen, durchaus gelegentlich einmal technische Fehler vorkommen können.“

Die IKK rät dem Apotheker, sich bei Rückfragen direkt zu melden oder gegebenenfalls den Kontakt zu seinem Rechenzentrum zu suchen. „Damit dürfte der Sachverhalt einfach zu klären sein“, so der IKK-Sprecher.

Telefonate zu Retaxationen bringen aus der Erfahrung von Apotheker Fischer nichts, da man sowieso nie eine verbindliche und belastbare Information erhalte. Deshalb legt er grundsätzlich schriftlich Widerspruch ein, so auch in diesem Fall. „Wir haben nicht wie in Ihrem Schreiben die PZN 06876916 zu 777,77 Euro bedruckt, beziehungsweise zum Abrechnen verschickt. Dies ist eindeutig nicht erkennbar auf dem Rezept, das Ihnen vorliegt.“

Was Fischer außerdem gewundert hat: Die IKK Classic hatte die Retaxation per Einschreiben geschickt. „So etwas habe ich noch nie erlebt, dass eine Krankenkasse ein Einschreiben erstellt“, sagt Fischer. Ist die IKK Classic so verzweifelt, das sie nun Retaxsummen einfach erfindet?“, fragt sich der Apotheker. Im direkten Vergleich sei jegliche DAK-Retax ja fast harmlos, so Fischer.

Sollte er mit seinem Einspruch nicht erfolgreich sein, will er seinen Landesapothekerverband Rheinland-Pfalz (LAV) einschalten. Insgesamt hoffen die Apotheker, dass die Kassen künftig etwas zurückhaltender retaxieren. Mit der Änderung des Rahmenvertrags wurden zumindest einige Retaxationen aufgrund kleiner formaler Fehler ausgeschlossen. Allerdings sind sich Apotheker und Kassen noch uneins, ob der „Retax-Deal“ erst ab Juni gilt oder auch für alle noch laufenden Retax-Verfahren.

+++ APOTHEKE ADHOC Umfrage +++
Wird der Retax-Deal den Apothekern helfen? Jetzt abstimmen!