Die Substitutionsausschlussliste zwingt Apotheken zur Abgabe des verordneten Arzneimittels – ein Wechsel des Präparats ist unter keinen Umständen möglich. Kommt ein Patient mit einer Wirkstoffverordnung in die Offizin, muss ein neues eindeutiges Rezept her. Eine Apotheke aus Niedersachsen wollte einem Patienten mit Lebertransplantation einen weiteren Gang zur Praxis ersparen und hat sich für eine schnelle Versorgung gemäß des Entlassungsberichts der Klinik entschieden. Die DAK Gesundheit retaxierte trotzdem.
Die Obentraut-Apotheke in Seelze versorgte im Februar 2015 einen Patienten mit dem Immunsuppressivum Prograf (Tacrolimus) von Astellas. Auf dem Rezept stand jedoch lediglich der Wirkstoff, der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in die Substitutionsausschlussliste aufgenommen wurde. In diesem Fall hätte eigentlich eine neue, eindeutige Verordnung eingeholt werden müssen.
Die Apotheke betreut den Patienten seit drei Jahren und hat sich für eine schnelle Versorgung entschieden. Da er in der Klinik mit Prograf behandelt worden sei, habe man das Rezept ohne nachträgliche Änderung beliefert, sagt Filialleiter Dr. Abdulnasser Almasalmeh. „Das war unser Fehler, wir sehen uns aber nicht komplett im Unrecht.“ Im Entlassungsbericht habe immerhin gestanden, dass eine Änderung der Immunsuppression nur nach Rücksprache mit der Transplantationsambulanz gestattet sei.
Die DAK retaxierte auf Null und zog der Apotheke 1027,46 Euro ab. Zur Begründung hieß es, die Angabe des Herstellers fehle. Eine nachträgliche Arztbestätigung beziehungsweise neue Verordnung werde nicht anerkannt. Die Apotheke legte dennoch Einspruch ein. Die Kasse könne sich kulant zeigen und wenigstens auf den günstigsten Reimport retaxieren, fordert Almasalmeh.
Der Patient ist der Apotheke bekannt: Er sei bei den Voruntersuchungen, beim stationären Aufenthalt sowie bei der laufenden Behandlung begleitet worden und berichte regelmäßig über den aktuellen Stand der Therapie. Als er die erfolgreiche Transplantation mitgeteilt und das Rezept vorgelegt habe, sei nur wichtig gewesen, dass er schnellstmöglich mit dem überlebenswichtigen Arzneimitteln versorgt werde, schrieb Almasalmeh an die DAK.
„Da wir uns an die Angaben im Entlassungsbericht gehalten haben, haben wir somit den Sinn der Substitutionsausschlussliste erfüllt.“ Befürchtung einer Verwechslung mit einem anderen Hersteller, die sich aufgrund von Unterschieden in der Bioverfügbarkeit nachteilig auf den Therapieerfolg auswirken könnte, seien ausgeschlossen worden. Verzögerungen in der Arzneimittelversorgung hätten in diesem Fall zu einer lebensbedrohlichen Situation geführt.
Der Apotheker wünscht sich von der DAK mehr Verständnis für seine Situation: Da die Praxis etwa 20 Kilometer von der Apotheke entfernt liege, hätte er einen Boten schicken oder schließen und selbst das Rezept abholen müssen. „Die DAK lässt nicht mit sich reden. Andere Kassen wie die AOK oder die Techniker Krankenkasse sind kulanter“, so Almasalmeh.
Die DAK ließ den Einspruch nicht gelten: Zur Prüf- und Sorgfaltspflicht der Apotheke gehöre, „die Verordnung bei Vorlage und Belieferung auf ordnungsgemäße Ausstellung und stimmige Angaben zu überprüfen“. Der Apotheker hätte beim Verordner nachfragen müssen, heißt es in dem Antwortschreiben der Kasse. Ein neues Rezept oder eine Korrektur mit Datum und Unterschrift des Arztes wären notwendig gewesen. „Eine Unstimmigkeit, die von der Apotheke erst durch unsere Abrechnungskorrektur erkannt wird, kann nicht durch eine nachträglich ausgestellte Ersatzverordnung oder nachträglich ausgestellte Arztbestätigung behoben werden.“
Wirkstoffverordnungen sind für Präparate der Substitutionsausschlussliste nicht zulässig – darauf hatte die ABDA nach Inkrafttreten der ersten Tranche Ende 2014 hingewiesen. Möglich sei die Kombination Herstellername plus Wirkstoff oder der Handelsname.
Der G-BA hatte den ersten Wirkstoffkatalog intern im September 2014 beschlossen. Darauf stehen bislang acht Wirkstoffe: Levothyroxin, Levothyroxin/Kaliumiodid, Digitoxin, β-Acetyldigoxin, Phenytoin, Ciclosporin, Tacrolimus und Digoxin. Derzeit wird ein Stellungnahmeverfahren über eine zweite Tranche nicht austauschbarer Arzneimittel ausgewertet. Darin sind Wirkstoffe aus der Gruppe der Antikonvulsiva, Opioide mit verzögerter Wirkstofffreisetzung zur Schmerzbehandlung und der Wirkstoff Phenprocoumon zur Blutgerinnungshemmung enthalten.
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