Falsches Rezept – 18.000 Euro Retax Alexander Müller, 13.05.2013 11:55 Uhr
Ein Apotheker aus Baden-Württemberg muss wegen eines gefälschten Rezeptes einen Verlust von 18.000 Euro hinnehmen. Das Sozialgericht Karlsruhe wies die Klage des Apothekers gegen die Retaxation der Krankenkasse zurück. Den Richtern zufolge hätte der Apotheker die Fälschung bemerken müssen.
Im April 2010 hatte eine Kundin ein Rezept über das Hormonpräparat Norditropin Nordiflex (Somatropin) von Novo Nordisk vorgelegt. Die 20 Fertigspritzen kosten knapp 20.000 Euro. Der Apotheker erkannte die Rezeptfälschung erst im Nachhinein. Zwar konnte er die Injektionslösung noch sicherstellen, doch wegen der nicht nachgewiesenen Kühlkette verweigerte sein Großhändler die Rücknahme.
Fast auf den Tag ein Jahr darauf retaxierte die Kasse den vollen Betrag abzüglich des Kassenabschlags und des Herstellerrabatts. Der Einspruch des Apothekers blieb ohne Erfolg: Bei genauer Betrachtung seien formale Unstimmigkeiten erkennbar, etwa die Form der Kreuze in den Feldern „Gebühr frei“ und „aut idem“ oder die Position des Arztstempels. Bei letzterem fehle zudem die Telefonnummer, auch sei die Schreibweise der Kasse nicht korrekt.
Angesichts des Missbrauchs von Wachstumshormonen in der Bodybuilder-Szene sei zudem der Umstand auffällig gewesen, dass ein Kinderarzt aus Nagold einer Patientin aus Pforzheim Wachstumshormone verordne. Gefälschte Rezepte würden – wie in diesem Fall – besonders oft freitags oder samstags eingelöst, wenn Ärzte schwer zu erreichen seien. All dies hätte den Apotheker misstrauisch machen müssen, so die Kasse.
Der Apotheker klagte im Februar 2012 gegen die Retaxation. Das Rezept sei nicht auf den ersten Blick als Fälschung zu erkennen gewesen: Unterschiede bei den gesetzten Kreuzen könnten auf den Drucker in der Arztpraxis zurückzuführen sein, auch für die Position des Arztstempels gebe es keine starren Vorgaben. Man könne von Apothekern auch nicht erwarten, wegen jeder noch so banalen Abweichung beim Arzt nachzuforschen oder die Verordnung zu hinterfragen. Im Übrigen habe er noch am Abend erfolglos versucht, die Arztpraxis zu erreichen, so der Apotheker.
Das Gericht gab der Kasse recht: Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände habe der Apotheker seine erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. „Bei Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten hätte er nämlich die missbräuchliche Verwendung des Verordnungsblattes erkennen können und müssen“, heißt es in der jetzt vorliegenden Begründung des Urteils vom 15. Januar.
Die falschen Positionen der Kreuze und des Stempels könnten noch alltäglich sein. Das Rezept habe jedoch weitere „bedeutungsrelevante formale Mängel“ enthalten – etwa der falsche Versichertenstatus des angeblich minderjährigen Kindes oder die beiden fehlenden Ziffern bei der Betriebsstättennummer des Arztes.
Auch haben laut Gericht die sonstigen Umstände auf eine Fälschung hingedeutet: „Als Apotheker muss von ihm grundsätzlich erwartet werden können, dass er von der Missbrauchsgefahr bei Wachstumshormonen Kenntnis hat und bei der Herausgabe solcher Medikamente besondere Sorgfalt walten lässt“, so das Gericht.
Schon der hohe Wert des Medikaments hätte den Apotheker dabei zu besonderer Sorgfalt anhalten müssen, zumal ihm weder die Kundin noch der Arzt bekannt gewesen seien. Die Apothekerkammer habe sogar in einem Rundschreiben vor den konkreten Anzeichen gefälschter Rezepte gewarnt. Da der Apotheker das Somatropinpräparat bestellen musste, hätte er zudem genügend Zeit für eine intensivere Prüfung oder Rücksprache mit dem Arzt gehabt, so die Richter.
Der Apotheker kann gegen die Entscheidung noch in Berufung gehen.