Krankenhausapotheken

Medikamente per Rohrpost

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Berlin -

Rohrpostanlagen gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert. Als Kommunikationsmittel hat sie mit Erfindung des Telefons vielfach ihre Bedeutung verloren. In Krankenhäusern wird das System aber noch heute genutzt, um Medikamente oder zu analysierende Proben schnellstmöglich im Haus zu verschicken. Die Universitätsklinik Rostock hat erst kürzlich eine neue Anlage in Betrieb genommen.

„Die Anlage ist noch nicht fertig“, sagt Dr. Hans-Georg Sichtling, Leiter des Dezernats Technik. Das Grundstück der Uniklinik Rostock sei recht weitläufig. Bislang habe die Rohrpost 15 Stationen; bis 2019 sollen noch einmal so viele in einem Neubau für zentrale medizinische Funktionen hinzukommen. „Das neue Gebäude inklusive der restlichen Rohrpostanlage wird zwischen 140 und 150 Millionen Euro kosten“, berichtet Sichtling.

Jede Rohrpoststation verfüge über ein bestimmtes Kontingent an Dosen, erklärt er. Zwischen 90 und 150 Fahrten legen die Büchsen am Tag zurück. Besonders stark frequentiert sind laut Sichtling die Notaufnahme und die Intensivstation, da von dort Proben zur Analyse ans Institut für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin fahren. Dort gebe es eine „Zufahrtsröhre“ sowie eine zweite für die Abfahrten. Die anderen Stationen seien „Sackgassen“.

Die Krankenhausapotheke sei an die Anlage angeschlossen, doch nutze das System nur für Spontantransporte, sagt Sichtling. Denn im Regelfall beliefere die Apotheke die einzelnen Stationen über den Automatischen Warentransport. Zum AWT gehören Flurfahrzeuge, die automatisiert die einzelnen Krankenhausstationen anfahren. An Bord haben sie einen großen Behälter, der mit dem zuvor bestellten Medikamentenbedarf bepackt wurde. Der bisherige Bau der Rohrpost sowie des AWT-Systems hätten etwa 10,5 Millionen Euro gekostet, sagt Sichtling.

„Wenn aber auf einer Station beispielsweise dringend ein Betäubungsmittel benötigt wird, kann es telefonisch in der Apotheke angefordert und dann per Rohrpost geschickt werden“, berichtet Sichtling. Mit bis zu 18 Kilometern pro Stunde werden die Behälter mit Pressluft durch das Röhrensystem geschossen. Bis zu fünf Behälter könnten dabei sogar in Kolonne fahren.

Von der Apotheke gelangen die Behälter zunächst in eine zentrale Verteilungsstelle unterhalb der Chirurgie. „In diesem 'Verladebahnhof' werden die Dosen über Weichen in die Röhren zu den richtigen Empfängern umgeleitet“, erklärt er. Zusammenstöße in der Anlage würden mit einem elektronischen Überwachungssystem verhindert.

In der Empfangsstation müsse nicht ständig jemand bereitstehen, um die Rohrpost abzufangen. „In Räumen wie der Schwesterkanzlei, die vielen offen zugänglich sind, fallen die Dosen in einen verschlossenen Container, den nur bestimmte Personen öffnen können“, sagt Sichtling. Sobald die Sendung erfolgreich angekommen ist, benachrichtigt die Anlage den Empfänger. „Das kann ein Telefon- oder Funksignal sein“, beschreibt er.

Jede Büchse habe ihre eigene Heimatadresse, berichtet Sichtling. Wenn die Lieferung entnommen wurde, stecken die Mitarbeiter den Behälter einfach wieder in die Röhre. Den Weg zum Absender findet die Dose über einen eingebauten Chip von allein. Nach 200 Fahrten werden die Dosen desinfiziert. Automatisch fahren sie dazu ins Ver- und Entsorgungszentrum, wo sie in einer speziellen und deutschlandweit einmaligen Spülmaschine gewaschen werden.

Fehler mache das computergesteuerte System nicht. „In 99,9 Prozent der Fälle ist ein Bedienungsfehler dafür verantwortlich, wenn eine Sendung ihr Ziel nicht erreicht“, sagt Sichtling. Ein Grund dafür könne etwa eine nicht korrekt verschlossene Dose sein. Der Behälter bleibe dann im Rohr stecken. Doch solche Probleme erkenne das System. „Wenn eine Dose abhanden kommt, kommt sie früher oder später an einer Sammelstelle im Zentrallabor heraus“, berichtet er.

Bevor die Rohrpostanlage in Betrieb genommen wurde, hatten menschliche Boten, sogenannte „Blut- und Urinläufer“, die Lieferungen zu Fuß oder mit dem Rad übernommen. Sie waren täglich bei jedem Wetter und zu jeder Uhrzeit im Einsatz. Die Rohrpostanlage entlastet sie nun, ersetzt sie aber nicht komplett: „Für empfindliche Sendungen sind sie weiter im Einsatz, etwa für bestimmte Blutproben“, erklärt Sichtling. „Die Proben sollen nicht durch die auf sie einwirkenden Fliehkräfte in den Kurven der Rohre verfälscht werden“, erklärt Sichtling. Aus dem gleichen Grund könne auch die Reisegeschwindigkeit für Blutproben und Transfusionsmedizin über eine Eingabe vor dem Versand gedrosselt werden.

Im nächsten Schritt der Umbauten soll auch die Pathologie an das Rohrpostsystem angeschlossen werden. Weil schneller Versand zwischen OP und Pathologie besonders relevant sei, werde sogar eine Direktverbindung zwischen den Stationen gebaut. „Die Proben aus dem OP müssen also nicht den Umweg über die Zentralstation fahren“, sagt Sichtling.

Mit 43 Mitarbeitern in acht Abteilungen versorgt die Krankenhausapotheke der Rostocker Uniklinik mehr als 1000 Betten. Die Apotheke gehört damit zu den größten Krankenhausapotheken in Deutschland. Insgesamt verfügen 387 Krankenhäuser über eine eigene Apotheke.

Das Rohrpostsystem ist keine neue Erfindung. Schon im 19. Jahrhundert wurden auf diese Weise Botschaften versendet; in Metropolen wie Berlin oder Hamburg sogar stadtweit. Das Telefon ersetzte den „Nachrichtendienst“ in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Doch in Krankenhäusern und auch Behörden wie dem Bundeskanzleramt sind die praktischen Anlagen weiterhin im Einsatz: Das Universitätsklinikum Leipzig verschickt über insgesamt 21 Kilometer lange Rohre mehr als 3000 Büchsen pro Tag.

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