Die Hersteller von Mitteln gegen den „Kater“ werden zuletzt verstärkt rechtlich angegangen. Sowohl der Verband soziale Wettbewerb (VSW) als auch die Wettbewerbszentrale greifen die Produkte an, eine endgültige rechtliche Klärung steht noch aus. Ein betroffenes Produkt ist one:47 der Firma founderholics mit Sitz in Mainz. Geschäftsführer Christopher Prätsch fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und vermutet eine Kampagne der Pharmaindustrie hinter den juristischen Angriffen.
Mit dem VSW duelliert sich Prätsch schon seit einiger Zeit. Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt wird aktuell darüber gestritten, ob der Kater eine Krankheit ist oder nicht. Davon hängt ab, ob Anti-Kater-Produkte als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) vertrieben werden dürfen.
Parallel wird vor dem Landgericht Mainz über die Katermittel als bilanzierte Diät gestritten. Der Kater wäre demnach rechtlich als Krankheit zu sehen, aufgrund eines Nährstoffdefizites. Wenn der Hersteller mit Studien nachweisen kann, dass dieses Nährstoffdefizit und die daraus folgenden Leiden mit einer bilanzierten Diät angegangen werden können, wären die Produkte wiederum schwer angreifbar.
Prätsch findet es richtig, dass in der Frage Rechtsklarheit geschaffen wird. Das wünsche sich sein Unternehmen auch. Für den Streit sieht er sich gut gewappnet, da man das eigene Produkt mit vielen Experten durchdacht habe – mit Molekularbiologen, Medizinern und anderen Sachverständigen. Sogar von der Aufsichtsbehörde habe man sich die Verpackung freigeben lassen und zudem auf Lebensmittel spezialisierte Fachkanzleien beauftragt, berichtet Prätsch. Kater-Produkte zum jetzigen Zeitpunkt generell als nicht legitim zu beschreiben, sei unfair und rufschädigend. Er vermutet, dass große Hersteller die Wettbewerbshüter eingeschaltet haben, um die eigenen Umsätze mit Kopfschmerzmitteln zu schützen.
Eine Kernfrage ist, ob der Kater eine Krankheit ist oder nicht. Aus Sicht des Herstellers ist die Frage eindeutig geklärt. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sehe einen Kater nicht als Krankheit, so Prätsch. Insbesondere beschreibe der Kater nicht eine Alkoholvergiftung und in der Folge Erbrechen, wie es der VSW immer mal wieder dargestellt habe. Leistungseinschränkungen wie Müdigkeit oder Kopfschmerzen hätten die meisten Menschen auch nach moderatem Alkoholkonsum – ohne sich exzessiv zu betrinken. Gegen eine Alkoholvergiftung sei ein Anti-Hangover-Produkt übrigens auch niemals die Lösung.
Vom Biochemiker Professor Dr. Werner Ernst Georg Müller von der Universität Mainz hat sich one:47 ein Gutachten über den Kater schreiben lassen. Die „Veisalgia“ ist demnach aus medizinischer Sicht ein Zustand, der durch Alkoholkonsum verursacht sein kann, multifaktoriell bedingt ist und individuell hoch variabel auftreten kann. Intensität und Symptome hingen stark von den individuellen Bedingungen und auch der Qualität des Alkohols ab.
„Vereinfacht dargestellt wird Ethanol über Zwischenprodukte, wie z.B. Acetaldehyd letztendlich zu Acetat abgebaut und weiter im Stoffwechsel umgesetzt. Welches der vielen Stoffwechselzwischenprodukte tatsächlich die Katersymptome hervorruft ist umstritten und wird kontrovers diskutiert, wobei ein gewisser Konsens darüber herrscht, dass Acetaldehyd wohl die größten Auswirkungen auf den Körper hat“, schreibt der Experte. Aber auch der Verlust von Wasser, Elektrolyten und Mineralien trage sicher dazu bei, obengenannte Symptome hervorzurufen. Zusatzstoffe wie Sulfite könnten wiederum zu Katersymptomen beitragen.
Bei der Bildung freier Radikale, Dehydrierung oder Vitaminpegelschwankungen handele sich „um ganz normale, natürlicherweise auftretende und sich in einem ‚normalen‘ Rahmen bewegende, physiologische Schwankungen im Körper“. Sein Fazit: „Aus meiner fachkundigen Sichtweise ist also ein Alkoholkater nicht als Krankheit einzustufen.“
Die Wettbewerbszentrale moniert dagegen regelmäßig Verstöße gegen die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Danach dürfen einem Lebensmittel keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zugeschrieben werden oder auch nur ein solcher Eindruck entstehen. Die Hersteller suggerierten aber gerade, einem Kater könne durch Einnahme der Mittel vorgebeugt werden, so die Kritik der Wettbewerbszentrale. Krankheitsbezogenen Angaben dürfen für Lebensmittel und damit auch für Nahrungsergänzungsmittel, nicht verwendet werden. Für bilanzierte Diäten gelten andere Regeln, allerdings müssen die Hersteller in diesem Fall Studien vorlegen.
APOTHEKE ADHOC Debatte