Margarete Heidl, Inhaberin der Schönbach-Apotheke im hessischen Aßlar, musste kürzlich miterleben, wie untauglich die Akutversorgung von Palliativpatienten durch Hilfsmittel wie Kanülen und Spritzen geregelt ist. Nur der apothekeneigene Vorrat an Injektionszubehör ermöglichte die Behandlung einer sterbenden Patientin mit dem Beruhigungsmittel Midazolam.
Zur palliativen Sedierung am Lebensende wird häufig Midazolam eingesetzt – anders lassen sich Symptome wie Angstzustände, Atemnot, Schmerz und Übelkeit oft nicht mehr wirksam behandeln. Patient:innen in Pflegeheimen werden oftmals von einem Palliativteam (SAPV) betreut und bekommen die entsprechenden Medikamente zur Injektion über diesen Dienst verordnet.
„In diesem Fall handelte es sich um eine sehr kranke Patientin, die Midazolam zur Injektion verordnet bekam, weil sie bereits im Sterben lag“, so Heidl. Üblicherweise gibt es auf den Pflegestationen keine Möglichkeit, ein sogenanntes „Sprechstundenbedarf-Rezept“ auszustellen. „Also verordnet das Palliativteam Einmalspritzen à 2 ml und die passenden Kanülen dazu“, so die Apothekerin. Das Problem: „Dummerweise sehen die Lieferverträge die Verordnung dieser Art von Spritzen und Kanülen für Endverbraucher nicht vor. Es wird ein Kostenvoranschlag gefordert.“
Dass in dieser Situation besondere Eile geboten war, verstehe sich von selbst, so Heidl. Zudem fahre der SAPV nicht mit „Sprechstundenbedarf im Gepäck“ ins Pflegeheim, sondern sei angewiesen auf Spritzzubehör vor Ort. Besonders der geringe Preis von etwa fünf Euro für eine Originalpackung mit 100 Einmalspritzen verdeutliche „den unnötigen Aufwand“, der durch einen Kostenvoranschlag entstehe. Hinzu komme die lange Wartezeit, so Heidl. „Oftmals versterben die Patienten, bevor die Kasse antwortet.“
An einem Freitagnachmittag noch eine Genehmigung für die Verordnung zu bekommen, sei besonders aussichtslos: „Das war ein Akutfall, ich wusste, dass die Genehmigung nicht vor Montag eintreffen würde.“ Auch die Angehörigen müsse man informieren: „Ich muss den Mitmenschen erklären, warum die Applikationshilfsmittel nicht sofort zur Verfügung stehen, das ist nervenaufreibend“, so die Apothekerin. Der verordnende Arzt wisse häufig nichts von dem Prozedere der Kostenvoranschläge: „Er stellt das Rezept aus und fertig. Dass ich aber die Spritzen und Kanülen nicht einfach abgeben kann, weiß er nicht. Diese Regelung ist ein Unding und für alle Beteiligten nicht tragbar.“
Um schnell Abhilfe zu schaffen und vor allem der Patientin ein würdiges Lebensende zu ermöglichen, griff Heidl in die eigene Schublade: „Im Endeffekt habe ich dem SAPV aus unserem eigenen Vorrat die nötigen Spritzen und Kanülen mitgegeben. Das bezahlt mir zwar keiner, aber ich habe es trotzdem gemacht.“ Dass dies die richtige Entscheidung war, stellte sich bereits am nächsten Morgen raus: „Die Patientin ist in der Nacht zu Samstag verstorben. Wenigstens konnte sie aber behandelt werden.“
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