Die kostenlosen „Bürgertests“ durch Apotheken erfordern nicht nur Organisationstalent. Die Inhaber gehen auch in Vorleistung. Julia Dickmann wartet momentan noch auf eine Bestätigung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) über die Abrechnung der Schnelltests. „Noch habe ich keine Zusage, dass gezahlt wird“, sagt die Inhaberin der Adler-Apotheke Straelen. Andere Kollegen winken deshalb ab.
Seit etwa zwei Wochen testen Dickmann und ihr Team Selbstzahler in der Apotheke. Die Pharmazeutin nutzt eine Terminsoftware. „Das ist gut aufbereitet“, sagt sie. Auch die neuen kostenlosen Schnelltest wickelt sie darüber ab. Ohne die vorherige Erfahrung seien die Bürgertests nicht zu schaffen. „Wie soll man das so schnell aufbauen?“ Als am Sonntag die Nachricht gekommen sei, dass Apotheken kostenlos testen sollten, habe sie über die Abläufe keine Information erhalten. „Wir machen das ins Blaue hinein.“
Am Montag gingen die ersten Anrufe von Kunden ein, auch die Stadt rief an. „Ich habe meine Amtsapothekerin angerufen, die mir gegen Mittag Informationen geschickt hat.“ Bei der KV meldete sie sich online an. „Ich konnte mich dort erst gestern registrieren, weil ein Nachweis der Beauftragung verlangt wird.“ Sie habe die Allgemeinverfügung des Gesundheitsministeriums Nordrhein-Westfalen, die allerdings nur eine Woche gültig ist, hochgeladen. „Für den Aufbau der dauerhaften Teststruktur sind die Kreise und kreisfreien Städte zuständig. Diese sollen daher nachfolgend die Beauftragung vornehmen. Die Beauftragung durch diese Allgemeinverfügung ist daher insoweit nur vorläufig“, teilte das Gesundheitsministerium mit. Das Gesundheitsamt werde eine endgültige Beauftragung schicken, so Dickmann.
Die KV wiederum kündigte ein Einschreiben an. „Das kann dauern. Ich gehe damit natürlich ein gewisses Risiko ein.“ Deshalb zögerten andere Apotheker:innen noch, die Bürgertests anzubieten. Dickmann ist zuversichtlich: Sie hofft, dass die Abrechnung künftig über die Rechenzentren per Sonderbeleg läuft. „Das wäre für uns wünschenswert.“ Zudem hofft sie, eine Pauschale für andere Posten etwa Schutzkleidung zu erhalten. „Ich kann doch nicht alle möglichen Belege einreichen. Pro Testperson kommt viel zusammen. Das bläht sich sonst zu einem bürokratischen Alptraum auf.“
Bisher habe sie rund 30 Personen kostenlos getestet. Für heute hat sich ein komplettes Steuerbüro angekündigt, auch Kinderbetreuungseinrichtungen haben angefragt. Anfragen gingen permanent über die Terminsoftware ein. Auch wenn das Programm die Praxis erleichtere, müssten die Mitarbeiter viel Zeit in die Abläufe investieren. „Machen Kunden haben keine E-Mail-Adresse, viele drucken den Fragebogen nicht aus“, so Dickmann. Sie und eine Mitarbeiterin seien mit dem Testen eingespannt. „An Personal fehlt es.“
Auch die Kontrolle, ob sich die Kunden bereits woanders haben testen lassen, sei nicht geregelt, sagt die Apothekerin. „Dazu gibt es keine Informationen. Wir warten auf das Gesundheitsamt.“ In der Anlage zur Allgemeinverfügung des Landes sind Mindestanforderungen an die Teststellen wie personelle Ausstattung, Hygienemaßnahmen und Räumlichkeiten aufgelistet. Dickmann testet in einem Bauwagen, eigentlich sei ein Container mit zwei Räumen – einer für die Abstriche, einer für das Labor – geplant gewesen. Doch dieser sei zu teuer. Offiziell heißt es: „Sofern eine Teststelle geplant wird, welche nicht in Anbindung an eine Apotheke, Drogerie, Arztpraxis oder vergleichbare Einrichtung betrieben, sondern als reines Testzentrum/externe Teststelle konzeptioniert wird, sind die entsprechenden baurechtlichen Vorgaben zu beachten oder die Duldung einer abweichenden Nutzung mit der zuständigen Bauaufsichtsbehörde abzustimmen.“
Nach dem jüngsten Entwurf der Coronavirus-Testverordnung (TestV) hat jeder Bürger mit Wohnsitz in Deutschland „im Rahmen der Verfügbarkeit von Testkapazitäten“ einen Anspruch auf eine Testung mittels PoC-Antigen-Tests pro Woche. Dazu gehören das Aufklärungsgespräch, Entnahme und Analyse der Probe und die Mitteilung des Ergebnisses verbunden mit der Ausstellung eines Zeugnisses über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Infektion.
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