Kompromiss: 9-Euro-Ticket gilt bei Corona-Tests Patrick Hollstein, 25.06.2022 08:36 Uhr
Politik verlangt immer Kompromisse: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hätte gerne an seiner All-You-Can-Test-Strategie festgehalten, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat Angst, dass dann nicht mehr genug Geld für die Mineralölkonzerne übrig bleibt. Und die Grünen wollen, dass das 9-Euro-Ticket ein Erfolg wird – trotz Deutscher Bahn. Die Lösung ist genial einfach.
3 Euro sollen die Bürger künftig bei den Bürgertests aus eigener Tasche zahlen und äquivalent die Bürgerinnen bei den Bürgerinnentests, außer sie machen den Test für zwei Personen, dann bleibt er gratis. Weil das mit der Zettelwirtschaft aber so kompliziert werden könnte, darf sich Jede und Jeder unabhängig von Vulnerabilität oder Gravidität mit seinem 9-Euro-Ticket monatlich dreimal testen lassen.
Die Strichlisten werden gemeinsam geführt. Apotheken und andere Teststellen können die Tickets entwerten. Das soll die heillos überforderte Bahn vor Passagieren schützen und den Haushalt entlasten. Auf Druck der FDP wurde noch hinverhandelt, dass man sich statt einen Test durchzuführen auch jeweils einen Liter Benzin oder Diesel ausgeben lassen kann. Das dürfen (so wie früher) die Apotheken selbst übernehmen, sofern sie genug Schilder haben, um auf das Angebot hinzuweisen.
Was auch möglich ist, und an dieser Stelle wird die Satire schon zur Realität: Die Apotheken und andere Testende dürften den Eigenanteil von 3 Euro auch großzügig selbst übernehmen, versicherte Lauterbach. Sie müssen dann nur sehen, ob sie mit 6,50 Euro noch hinkommen. Denn gekürzt wird das Honorar nebenbei auch noch, bei mehr Aufwand, versteht sich.
Damit soll nicht nur der Finanzhaushalt entlastet werden, sondern auch dem Betrug in Teststellen begegnet werden. Die Staatsanwaltschaft Berlin fängt ja schon an, sich für die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zu interessieren. Sind diese etwa auf einem Auge blind, weil sie selbst gut daran verdienen?
Lieber wäre es dem Minister aber, nicht die Apotheken, sondern die Länder würden bei den Tests aufstocken. Ein frecher Steilpass zu den unionsgeführten Ländern. Dabei hatten es die Konservativen gegen Ende der Woche doch sowieso schon schwer: Union und AfD stimmten vergeblich dagegen, dass §219a StGB endlich abgeschafft wurde. Und dann wurde im Bundestag auch noch über Sterbehilfe gesprochen. Hilf Gott!
Das 9-Euro-Ticket gibt es im September nicht mehr, dafür mehr E-Rezepte. Kleine Beruhigungsspritze: Wer sie dann immer noch nicht annehmen kann oder ausstellen will, wird nicht bestraft: Es werde keinen Sanktionen geben, versicherten Gematik und BMG im Chor.
Vom Markt ist noch schnell zu berichten, dass es Ginkgo bald vielleicht nicht mehr im Drogeriemarkt gibt und Elotrans und Oralpädon bald überhaupt nicht mehr. Also müssen die Apotheken bald Elektrolytlösungen in der Rezeptur für die Partyhorden herstellen, statt wie vor einiger Zeit Desinfektionsmittel. Besser lässt sich das vermeintliche Ende der Pandemie in der Apotheke kaum darstellen. Und mit der Wirklichkeit der Infektionszahlen hat das leider auch gar nichts zu tun. Drosten warnt schon jetzt vor einem höllischen Winter und ich fürchte, er hat wieder recht. Hören Sie dazu gern: Der große Scheiß!
Falls sie die vollständige Pressekonferenz mit Minister Karl Lauterbach sehen möchten: Die finden Sie hier. Ebenso sehenswert und viel exklusiver: Das ADHOC-Interview mit Valneva-CEO Thomas Lingelbach über das Los des einzigen, jetzt auch zugelassenen Totimpfstoffs in ganz Europa. Viel Spaß damit und schönes Wochenende!