Kommentar

Schützt die Apotheken!

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Berlin -

Der Patient steht im Mittelpunkt. Diesen Allgemeinplatz kann jeder im Gesundheitswesen unterschreiben, vom Hersteller über die Klinik bis hin zur Krankenkasse. Die Sozialgerichte stellen in ihrer Variante die Kasse als Anwalt des Versicherten in den Mittelpunkt. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) meint, das Interesse des Heims stehe bei Lieferverträgen über allem. Es wird Zeit, dass jemand die Apotheken in den Fokus rückt.

Gestritten wurde vor dem OLG über eine fristlose Kündigung, die ein Heim der versorgenden Apotheke ausgesprochen hatte – weil die sich geweigert hatte, kostenlos zu verblistern. Der Betreiber hätte die kompletten Aufträge genauso gut an eine andere Apotheke vergeben und damit den Vertrag ausbluten lassen können, so das Argument. Rechtmäßiges Alternativverhalten, finden die Richter.

Demnach können Apotheken aus ihren Lieferverträgen also keine Rechte, sondern nur Pflichten ableiten: Schutzsubjekt seien allein das Heim und seine Bewohner; die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist solle ausschließlich verhindern, dass ein Heim „von einem Tag auf den anderen“ ohne Apotheke dastehe, heißt es im Urteil. Die Apotheke könne jedenfalls nicht auf der Einhaltung der Kündigungsfrist durch das Heim bestehen, um ihre Aufträge im bisherigen Umfang fortsetzen zu können.

Mit dieser Interpretation des Apothekengesetzes stellt das OLG das komplette Vertragswesen im Gesundheitswesen auf den Kopf – unter Verkennung der möglichen gravierenden Folgen: Wenn Vereinbarungen zwischen zwei Parteien nur für eine Seite gelten, warum sollten Leistungserbringer sich darauf noch einlassen. Warum sollte ein Apotheker den Kassenabschlag zahlen, wenn das Geld bei angespannter Finanzlage trotzdem erst später kommt. Oder Rezepte beliefern, wenn die Erstattung unter Berufung auf das allgemeine Schutzinteresse der Versicherten verweigert werden kann.

Als das Bundessozialgericht (BSG) vor zwei Jahren Nullretaxationen zum Berufsrisiko erklärte, schien der Tiefpunkt erreicht. Das OLG-Urteil hat eine neue Qualität, können doch die Apotheken nun überhaupt nicht mehr in Rechte und Verträge vertrauen. Jedenfalls solange es um die Beziehung zu den vermeintlichen Interessenvertretern der Patienten geht.

Vielleicht ist mit dem aktuellen Urteil aber auch der Bogen überspannt. Dass ausgerechnet die Weigerung, kostenlose Blister zu liefern, der Apotheke zum Verhängnis wurde, hat im Licht des Anti-Korruptionsgesetzes eine ganz eigene Qualität. So bleibt zu hoffen, dass der BGH das Urteil mit ausführlicher Stellungnahme korrigieren wird.

Wer die Patienten schützen will, der muss beginnen, auch die Interessen derjenigen berücksichtigen, die ihnen am Tag und im Notdienst dienen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits vor zwei Jahren erkannt: Auch Apotheken hätten ein berechtigtes Schutzinteresse, hieß es in einem Verfahren um die Apothekenpflicht in Italien.

Um die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, seien die Mitgliedstaaten berechtigt, den Berufsstand zu schützen. Ausdrücklich ging es dabei auch um wirtschaftliche Erwägungen: Durch die besonderen Pflichten und Beschränkungen entstünden den Apotheken erhebliche Mehrkosten, die zu berücksichtigen seien. Bleibt zu hoffen, dass die Vernunft auch hierzulande endlich einzieht.

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