Kommentar

Rückgrat gegen den Preisverfall

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Berlin -

Ein guter Apotheker berät gut. Das lernt er vom ersten Tag an, darüber definiert er sich und man ihn. Das Honorar, das er für die Abgabe erhält, reicht, um die Unabhängigkeit zu wahren. So zumindest die Theorie. In der Selbstmedikation muss er die Balance zwischen Heilberuf und Wirtschaftlichkeit finden. Preisvergleiche können dabei schaden – oder helfen.

Seit der Freigabe der OTC-Preise kann und muss der Apotheker auch Kaufmann sein, stärker als je zuvor. Dazu gehört es auch, eine eigene Strategie zu finden und diese regelmäßig zu hinterfragen. Mit welchen Angeboten und Kategorien ist man gut aufgestellt? Wie entwickelt sich die Konkurrenz? Was macht der Kollege nebenan besser, was schlechter?

Früher schickten Apotheker ihre PKA inkognito in die Apotheke um die Ecke, um die Sichtwahl zu studieren und die Preise abzuschreiben. Künftig wollen Marktforscher die wichtigsten Daten liefern. Wer die Auswertungen clever nutzt, kann von einem professionellen Preismanagement profitieren.

Dabei geht es nicht nur darum, bei den wichtigsten Produkten in der Selbstmedikation konkurrenzfähig zu bleiben. Wer einfach nur billig sein will, wird bald weg vom Fenster sein. Als „letzte Zuckungen“ bezeichnen Experten mitunter die aggressiven Sparangebote einiger Kollegen. Allzu oft liegen sie richtig damit.

Man sollte sich also hüten, bei Kampfpreisen reflexartig in die Schlacht zu ziehen – sondern vielmehr die richtigen Schlüsse über den Konkurrenten und sich selbst ziehen. Gerade bei Preisentscheidungen sollte man sich die Folgen bewusst machen und nicht einfach treiben lassen.

Zu wissen, was der Nachbar günstiger anbietet, kann gezielt dazu genutzt werden, eigene Schwerpunkte herauszuarbeiten. Ein Lockangebot bei Voltaren ist zu rechtfertigen, wenn am HV-Tisch der Zusatzverkauf initiiert wird. Oder wenn im Beratungsgespräch auf ein günstigeres Diclo-Produkt hingewiesen wird, bei dem vorher ein Euro obendrauf geschlagen wurde.

Ist das schon Abzocke? Wenn man so will, ja. Politisch gewollte Abzocke. Denn niemand hatte Ulla Schmidt versprochen, dass freie Preise nur nach unten gehen würden. Mit „20 Prozent auf alles“ rechnet kein Verbraucher mehr. Im Arzneimittelmarkt braucht man den Praktiker-Effekt schon deswegen nicht, weil ein Großteil der Kunden die Preise sowieso nicht vor Augen hat.

Selbst die Versandapotheken setzen, sieht man vom strukturell bedingten Abschlag ab, gezielt auf Lockangebote. Sicher: Im Internet können die Kunden die Preise direkt vergleichen. Doch am Ende rutscht auch der eine oder andere Artikel in den Warenkorb, der geschickt kalkuliert wurde.

Apotheker sollten keine Angst haben, ihr Umfeld kennenzulernen. Die Technik wird jedenfalls keine Preisspirale auslösen. Das wären am Ende immer sie selbst.

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