Contra: Erstmal Apotheke lernen Julia Pradel, 18.08.2015 10:26 Uhr
Sicher, frisch von der Uni sind Studenten topfit in Sachen Pharmakologie und Arzneistoffen. Aber von schwierigen Kunden, rechtlichen Bestimmungen und dem Tagesablauf in einer Apotheke haben sie keine Ahnung. Das ist auch okay, schließlich ist ihre Ausbildung nach dem zweiten Staatsexamen noch nicht abgeschlossen – zu recht gehört das einjährige Praktikum dazu. Der Absolvent ist eben „nur“ Pharmazeut und noch kein Apotheker.
Die Praktikanten bringen im Wesentlichen theoretisches Wissen mit. Sie kennen die Arzneistoffe und ihre Gruppen – scheitern aber oft schon an der Zuordnung des jeweiligen Fertigarzneimittels. Kundengespräche treiben regelmäßig Schweiß auf die Stirn, und ihr Fachwissen in für den Patienten verständliches Deutsch zu packen, ist nicht jedem gegeben. Selbst banalste Dinge müssen Apothekenleiter ihren Praktikanten mitunter beibringen, etwa dass der Abwasch eine Gemeinschaftsaufgabe ist oder nicht jeder Mittagspause machen kann, wann er möchte.
In den ersten zwei Wochen benötigen die Studenten fast eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, und auch das erste Vierteljahr ist intensive Unterstützung durch den Apotheker vonnöten. Für den Apothekenleiter sind PhiP zunächst eher eine Last. Und da sie nur unter Aufsicht arbeiten dürfen, ersetzen sie auch keine Arbeitskraft. Im Gegenteil: Die Approbierten werden mit Fragen von der Arbeit abgehalten oder müssen Fehler erklären und korrigieren. Der Praktikant kostet somit bares Geld – unabhängig von seinem eigenen Salär.
Das ändert sich – falls der Apothekenleiter bei der Wahl seines Praktikanten nicht sehr daneben gegriffen hat – in der zweiten Hälfte des üblicherweise sechsmonatigen Praktikums in der öffentlichen Apotheke. Es mag Idealisten geben, die die Erziehung von Praktikanten als Teil ihres Berufs ansehen. Die anderen nehmen die Mühe vor allem deswegen immer wieder auf sich, weil sie im zweiten Teil des Praktikums eine günstige Arbeitskraft gewinnen oder sich Nachwuchs sichern wollen.
Das Praktikum ist im besten Fall eine Win-Win-Situation: Im ersten Teil des Jahres muss der Apotheker investieren, im zweiten Teil profitiert er. Und der Student verdient zwar weniger Geld als ein Approbierter, darf sich aber auch noch Fehler erlauben und Erklärungen einfordern. Den Pharmazeuten geht es damit übrigens besser als ihren ärztlichen Kollegen, die im besten Fall 400 Euro erhalten, manchmal aber auch nur einen Büchergutschein. Und PTA müssen sich ihre Ausbildung vielerorts sogar selbst finanzieren.
Ob das System des Praktischen Jahres Bestand hat, wenn für den Apotheker ein wichtiges Argument – die günstige Arbeitskraft im zweiten Teil des Praktikums – wegfällt, ist fraglich. Denn einen PhiP braucht ein Apothekenleiter höchstens dann, wenn ein Angestellter auf die Rente zugeht und man sich langsam Sorgen um den Nachwuchs macht. Zu jeder anderen Zeit kann er sich die Mühe im wahrsten Sinne des Wortes sparen.
Die Zahl der Praktika suchenden Studenten dürfte indes die der frei werdenden Arbeitsplätze in den Apotheken übersteigen. Wenn Apotheker aber nur wenig Anreize haben, einen PhiP anzustellen, wird es für die Studenten schwierig, einen Praktikumsplatz zu ergattern. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Forderung nach mehr Gehalt jedoch ziemlich anmaßend. Viele Studenten sehen das ähnlich und sind zufrieden mit der derzeitigen Situation. Vielleicht denken sie auch pragmatisch: Immerhin müssen sie nur einmal im Leben als PhiP arbeiten, werden als Apothekenleiter aber hoffentlich häufiger selbst Praktikanten anstellen.
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