Endlich! Das Sozialgericht Braunschweig hat einen T-Retax zu Fall gebracht. Die Null-Retaxation aufgrund eines Formfehlers haben die Richter als das erkannt, was sie ist: eine unbotmäßige Abzocke, Riesensauerei und dreiste Bereicherung der Krankenkasse. Dieses Urteil kann sich jede Apotheke ausdrucken und an die Wand hängen – auch wenn das vermutlich nichts nützt. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Es war wieder einmal die DAK Gesundheit, die meinte, 7000 Euro sparen zu können, weil ein Kreuzchen auf dem T-Rezept fehlte. Eine Bestätigung des Arztes, dass der Patient aufgeklärt und in seinem Sinne versorgt worden sei, ließ die Kasse wie immer nicht gelten. Man fühlt sich in diesen Auseinandersetzungen recht sicher in Hamburg, weiß die Kasse doch um ihr Standing vor Gericht.
Für gewöhnlich lassen die Sozialgerichte den Apothekern nämlich nichts durchgehen. Die Urteile sind in der großen Mehrzahl streng formalistisch: Die Vorschrift sieht ein Kreuz vor. Ohne Kreuz ist die Verordnung nicht ordnungsgemäß. Ein Apotheker hat keinen Anspruch auf Erstattung einer nicht ordnungsgemäßen Verordnung. Punkt. Null-Retax. Ende der Diskussion.
Es gibt Fälle, in denen das nachvollziehbar ist. Gerade bei teratogenen Wirkstoffen hat der Gesetzgeber zusätzliche Sicherheitsmechanismen ja nicht zum Spaß eingeführt. Die Apotheker und Ärzte müssen hier besonders sorgfältig sein. Aber es gibt auch noch so etwas wie gesunden Menschenverstand: Bei einem 65-jährigen männlichen Patienten kann im Beratungsgespräch im Einzelfall darauf verzichtet werden, eine mögliche Schwangerschaft abzuklären. Trotzdem werden solche Fälle retaxiert und die Kassen bekommen recht.
Aber das ist nur die eine Ungerechtigkeit. Was die Apotheker zur Weißglut treibt, ist eine offensichtliche Erkenntnis: Der Kasse geht es nicht um die Patientensicherheit, sondern um die Einsparung. Denn obwohl sie die Bezahlung der nicht ordnungsgemäßen Verordnung verweigert, betrachtet sie ihren Versicherten – zu Recht – als ordnungsgemäß versorgt. Die Kasse akzeptiert die Abgabe in der Apotheke also nur, sofern ihre Pflicht gegenüber dem Versicherten berührt ist, nicht aber ihre eigene Pflicht gegenüber dem Apotheker.
Das Sozialgericht Braunschweig hat den Apothekern aus der Seele gesprochen, als es dieses Vorgehen als „evident inkonsequent und daher aufgrund widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich“ bezeichnet hat. Das Gericht beschwört die Einheit der Rechtsordnung, wonach „ein- und dieselbe rechtlich relevante Handlung nicht zugleich rechtmäßig und rechtswidrig sein kann“. Es möge ein Kassenchef oder Gesundheitspolitiker vortreten und dem widersprechen.
Leider ist der T-Retax nur gestürzt, nicht endgültig erlegt. Berufung gegen das Braunschweiger Urteil ist bereits beim Landessozialgericht eingegangen. Doch selbst wenn das Bundessozialgericht in letzter Instanz doch wieder der DAK recht gibt, ist es für die Apotheker ein gutes Gefühl, dass sie wenigstens einmal verstanden wurden. Vielleicht brauchte es einfach ein mutiges Sozialgericht, das die Abzocke entlarvt. Vielleicht öffnet das Urteil auch andernorts Augen, sei es in Kassel, im Berliner Regierungsviertel oder im Schiedsverfahren. Die Hoffnung kann nicht retaxiert werden.
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