Das Fremdbesitzverbot zu verteidigen, gilt bis heute als einer der größten politischen Erfolge der Apotheker. Konzerne dürfen hierzulande keine Apotheken betreiben, das Ideal des unabhängigen Freiberuflers wird zumindest bislang auch von einer breiten Mehrheit in der Politik gestützt. Die Apotheker müssen sich dennoch vor einer schleichenden Aufweichung des Fremdbesitzverbots schützen – und sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gleichzeitig auf professionelle Unterstützung angewiesen. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Ein guter Chef kann Aufgaben delegieren. Selbst wenn das Ergebnis dann nicht zu 100 Prozent den eigenen Vorstellungen entspricht – niemand kann alles selbst machen. Das heißt aber nichts anderes, als zumindest teilweise die Verantwortung an einen Angestellten abzutreten. In Apotheken beginnt das bei der PTA, die ein Rezept bedient, oder der PKA, die beim Großhandel eine Bestellung aufgibt. Niemand würde deshalb die Leitung des Apothekers oder der Apothekerin infrage stellen.
Aber wo ist die Grenze? Was ist mit der PTA in gehobener Stellung, die Dienstpläne für das Team schreibt und vielleicht sogar die Personalgespräche führt? Oder wenn die PKA nicht nur beim Großhandel bestellt, sondern auch mit diesem verhandelt, sowie mit allen Herstellern und dem benachbarten Pflegeheim. Für solche Fälle gibt es Vollmachten, die der Apothekenleiter gezielt ausstellt. Er bleibt weisungsbefugt und Herr im eigenen Haus.
Diese Herausforderung wächst mit der Größe des Betriebs. Bei einem Verbund mit vier Filialen müssen viele Aufgaben verteilt sein. Die Position des Filialleiters ist zwar definiert, seine Vollmachten mögen aber je nach den tatsächlichen Gegebenheiten einer Prokura sehr nahe kommen. Bei großen Zyto-Apotheken oder Versendern ist die persönliche Leitung sogar oft noch eine Ebene nach oben verlegt. Und dann sind da noch die Apothekenkooperationen, in denen die Mitglieder Teile ihrer Aufgaben an die Systemzentrale abtreten. Das kann Apotheken professioneller machen, oder abhängiger.
Die Frage der Leitung gibt es auch im Kleinen: Überrascht bis pikiert klingende Absagen des Personals, wenn man telefonisch den Chef oder die Chefin verlangt. Manchmal ist sogar ein Termin der nächsten Anwesenheit auf Tage unbekannt. Die Leitung ist dann keine Frage der Prokura, sondern der bloßen Präsenz.
Es hat den Anschein, als verschließe die Standesvertretung die Augen vor diesen Grautönen, zumindest offiziell wird an dem Ideal des „Apothekers in seiner Apotheke“ festgehalten. Das führt bis zu der Behauptung, es gebe gar keinen Mehrbesitz, weil der Filialbetreiber nur eine Betriebserlaubnis mit zusätzliche drei Betriebsstätten habe. Das ist Schönfärberei, aber vielleicht muss die ABDA bei solchen Extrempositionen verharren, weil jede akzeptierte Ausnahme einen Stein aus der Mauer zieht. Der Politik muss sie weiter glaubhaft versichern, dass diese Mauer nicht nicht die Apotheker schützt, sondern die Patienten.
Der Bundesgerichtshof (BGH) muss jetzt in der Grundsatzfrage erklären, ob Apotheker formal Prokura erteilen dürfen. Das OLG Karlsruhe hat die Frage in der Vorinstanz recht pragmatisch beantwortet: Auch eine PTA oder Filialleiterin kann demnach unsinnig viel Ware bestellen oder mit entsprechender Vollmacht ungefragt den Mietvertrag kündigen. Den Schaden, den ein nichtpharmazeutischer Prokurist in der Apotheke potentiell anrichten kann, müsse der Inhaber eben bei der Auswahl seines Vertrauten bannen.
Man kann das so sehen – die in den Fall involvierte Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK) tut es nicht. Der Apotheker dürfe seine Verantwortung nicht an einen Prokuristen übertragen – auch nicht in Teilbereichen. Auch dieser Gedanke besticht, denn eine im Handelsregister eingetragene Prokura hat fraglos ein anderes Gewicht als eine einfache Dienstanweisung. Das hat mit den Risiken eigenmächtigen Handels – auf die das OLG abstellt – nur bedingt zu tun. Es ist die grundsätzliche Frage, wer das Sagen hat.
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