Der Kunde ist König. Als Kaufleute sollten auch Apotheker diesen ehernen Grundsatz des Handels befolgen – sonst leidet ihr Geschäft. König ist dabei aber nicht als absolutistischer Herrscher zu verstehen, sondern im Sinne einer konstitutionellen Monarchie, also Queen Elisabeth II. statt Louis XIV. Der Kunde wird respektvoll behandelt, aber er darf nicht alles entscheiden. Das wurde jetzt im Namen des Volkes bestätigt. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Die hohe Kunst der Rezepturherstellung ist ein Liebesdienst der Apotheker an der Gesellschaft. Gegen ein – auch nach der geplanten Erhöhung – nicht auskömmliches Honorar werden individuelle Arzneimittel unter großem Aufwand hergestellt. Gemeinwohlpflicht heißt das Zauberwort. Seit der Novelle der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) im Jahr 2012 dürfen die Apotheker ihre Arbeit auch noch ausführlich dokumentieren. Und: Der Arzt muss darauf hingewiesen werden, wenn er Quatsch verordnet hat.
Wie gut die Abstimmung funktioniert, hängt im Einzelfall immer von den handelnden Personen ab, dem Fingerspitzengefühl des Pharmazeuten und der Eitelkeit des Mediziners. Bleibt der Halbgott in Weiß bei seiner unplausiblen Verordnung, kann der Apotheker als letztes Mittel pharmazeutische Bedenken geltend machen und die Abgabe verweigern.
Sind sich die Heilberufler einig, wird die Rezeptur angepasst. Doch jetzt kommt die Königin ins Spiel. Die Kundin bestand bei Abholung auf der original verordneten Rezeptur. Der „Liebesdienst“ der Apothekerin wurde mit wenig schmeichelhaften Bemerkungen zum pharmazeutischen Kompetenzkreis quittiert.
In den Argumenten der Kundin – ihrerseits Rechtsanwältin – spiegelt sich eine bekannte Haltung von Patienten gegenüber Apothekern wider: Der Pharmazeut wird als Dienstleister, vielleicht sogar als besserer Erfüllungsgehilfe des Arztes betrachtet, der einen Auftrag abzuarbeiten hat – ohne Widerrede.
Pharmazeutische Bedenken werden von solchen Kunden als Anmaßung und Wichtigtuerei empfunden. Das ist derselbe Schlag Patient, der in der Offizin regelmäßig einfordert, es doch mit der Verschreibungspflicht nicht so eng zu nehmen.
Im konkreten Fall hätte die Kundin von der Apothekerin erwartet, dass diese die Änderung der Rezeptur wenigstens mit ihr abspricht. Jetzt hat das Amtsgericht München zum Glück entschieden, dass die Rechte der Monarchen Grenzen kennen. Nach erfolgter Plausibilitätsprüfung, Rücksprache mit dem Arzt, Änderung der Rezeptur und Dokumentation des Ganzen muss die Apotheke nicht auch noch beim Patienten nachfragen, ob er damit einverstanden ist.
Es liegt im Wesen der Verschreibungspflicht, dass der Patient als Mensch und Kunde in Teilen entmündigt wird – zu seinem eigenen Schutz. Der Arzt verantwortet die Verordnung, der Apotheker die Abgabe. Der Patient behält ein höchst persönliches Recht: Er kann sich entscheiden, das Arzneimittel nicht anzuwenden.
Der Fall ist klein und war offenbar auch emotional aufgeladen. Aber es ist immens wichtig, dass sich die Apotheke hier durchgesetzt hat. Denn das Urteil stärkt die Apotheker. Der Kunde bleibt König, aber er ist weder Arzt noch Apotheker.
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