Kommentar

Beraten oder verkauft

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Berlin -

Die einzige Apotheke am Ort muss schließen, weil die Inhaberin einfach keinen Nachfolger finden konnte. So oder ähnlich kann man es fast in jeder Woche in irgendeiner Lokalzeitung nachlesen. Der Nachwuchs bleibt aus, zuletzt zählte die ABDA noch 16.661 Inhaber. Klar, dass der Berufsstand etwas unternehmen muss, um jungen Pharmazeuten die Selbstständigkeit schmackhaft zu machen. Der Bayerische Apothekerverband (BAV) unternimmt den Drahtseilakt, Angestellte zur Selbstständigkeit zu beraten – ohne die Mitglieder zu verärgern.

Die Aufgabenverteilung bei der verfassten Apothekerschaft sieht – sehr vereinfacht – so aus: Die ABDA in Berlin kümmert sich um die politischen Interessen, die Kammern um die hehre Pharmazie und die Apothekerverbände um wirtschaftliche Angelegenheiten. In seiner Landesapothekerkammer ist jeder Approbierte Pflichtmitglied, im Verband sind normalerweise nur die Inhaber vertreten. Es sind klassische Arbeitgeberorganisationen mit klassischen Arbeitgeberinteressen.

Das gilt weitestgehend auch für den Bayerischen Apothekerverband (BAV). Unter den mehr als 3000 Mitgliedern sind nur vereinzelt Angestellte. Trotzdem fasst man in München den Auftrag, die inhabergeführte Apotheke zu stärken, etwas weiter: Im Rahmen einer Seminarreihe werden viele wichtige Fragen zum Schritt in die Selbstständigkeit geklärt.

Auch wenn die Resonanz laut Verband überwiegend positiv ist, gibt es auch Kritik an dem Vorgehen: Denn die Inhaber und vielfach BAV-Mitglieder haben ein primäres Interesse an einer soliden wirtschaftlichen Entwicklung. Und dazu zählt aus Arbeitgeberperspektive, gute Kräfte im Betrieb zu halten. So gesehen gibt der BAV jetzt den Angestellten seiner Mitglieder Nachhilfe darin, wie sie dem eigenen Arbeitgeber Konkurrenz machen können.

Nun könnte man noch sagen, der Verband betreibe auf diese Weise selbst Nachwuchsarbeit und werbe neue Mitglieder. Davon würden, projiziert auf künftige Beitragssätze, womöglich alle Mitglieder profitieren. Aber das Argument verfängt nicht, weil jeder neu niedergelassene Kollege in der Nachbarschaft zunächst einmal bedeutet: Wettbewerb, Umsatz- und Ertragsverlust.

Die Sanacorp, in deren Fürther Niederlassung das Ganze stattfindet, steckt dabei in demselben Dilemma wie der BAV: Inhaber des Großhandels sind die Apotheker. Und die dürften wenig Wert darauf legen, dass die Genossenschaft ihre Kisten demnächst anteilig in die Apotheke des ehemaligen Approbierten ausfährt. Besonders, wenn die Ausgründung nur zwei Straßen von der eigenen Apotheke entfernt liegt. Für die VSA gilt dies mit Einschränkungen entsprechend.

Mit der Treuhand Hannover und der Apobank bringt der BAV alle aus seiner Sicht wichtigen Partner für die Inhaber in spe an einen Tisch. Ob bei deren Vorträgen eher die Expertise oder die Akquise im Zentrum steht, werden erst die Kurse im April zeigen. Aber wer in Bayern die Informationen dieser Player vereint, kann praktisch für jede Straßenecke ausrechnen, ob sich an dem Standort noch eine Apotheke lohnt oder nicht.

Der Verband sieht in der Personalknappheit gerade die Notwendigkeit für solche Existenzgründerseminare. Denn oft sei die Suche nach einem Nachfolger das drängendere Problem als ein neuer Konkurrent vor Ort. Vielleicht hätte man Ärger vermeiden können, wenn die Treuhand die Seminare veranstaltet und der BAV nur einen Referenten geschickt hätte.

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