So einfach ist die Zytostatika-Zubereitung: Fertigarzneimittel und Kochsalzlösung mischen, fertig. Keine große Leistung, keine Rezeptur – so sah es vor einiger Zeit der Bundesgerichtshof (BGH). Doch manche Dinge sind nicht so eindeutig, wie sie zunächst erscheinen. Denn eine Rekonstitution ist die Anfertigung in der Apotheke deswegen noch lange nicht, fand das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Bleibt die Frage: Was tun Apotheker eigentlich, wenn sie Sterillösungen zubereiten?
Die Frage ist nicht nur theoretischer Natur, sondern hat für die Praxis relevante Folgen. Denn während es für das Überführen in eine anwendungsfähige Form zahlreiche Ausnahmen von den Herstellungsvorschriften gibt, sind an die Rezepturanfertigung strenge Vorgaben gebunden. Was das Umfüllen von Arzneimittel genau darstellt, entscheidet daher zum Beispiel über die nötige Laborausstattung oder die erlaubten Inhaltsstoffe.
Als sich Apotheker vor einigen Jahren mit preiswerten Zytostatika aus dem Ausland eindeckten, die in Deutschland nicht zugelassen waren, war der Aufschrei groß. Der BGH entschied: Das ist verboten, denn durch die bloße Verdünnung entsteht kein neues Arzneimittel. Folglich handelt es sich nicht um eine Rezeptur.Noch heute stehen regelmäßig Apotheker, die damals falsch gelegen haben, vor Gericht. Immerhin: Zuletzt hat ein anderer Senat des BGH Gnade walten lassen und erklärt, es gelte das, was alle dachten. Wenn also selbst die Kassen zunächst von einer Rezeptur ausgegangen seien, dürften sie im Nachhinein nicht so tun, als wäre davon nie die Rede gewesen.
Bleibt für das Umfüllen also die Rekonstitution. Gleiches Arzneimittel, anderer Zustand. Aber: Auch falsch, entschied nun das OVG. Denn die Richter haben in der gesetzlichen Definition eine Formulierung entdeckt, die ausschließlich auf die Packungsbeilage und nicht auf Fachinformation oder ärztliche Verordnung abhebt. Was zu schwierig für Laien sei, könne nicht als Rekonstitution bezeichnet werden.
Die Packungsbeilage war schon einer Apotheke zum Verhängnis geworden, die Lucentis (Ranibizumab) ausgeeinzelt hatte: Novartis war der Überzeugung, dass dies ein Herstellungsprozess sei – und hatte vom Landgericht Hamburg Recht bekommen. Die Richter waren überzeugt, dass es durch die Auseinzelung zu einer Veränderung des Ausgangsproduktes komme, die von der zugrunde liegenden Zulassung nicht gedeckt werde.
Die aktuellen Entscheidungen machen den Graubereich bei den zahlreichen Regelungen zu individuellen Zytostatikazubereitung noch etwas grauer. Denn bereits jetzt ist die Anfertigung vermintes Gelände. Streit gab es beispielsweise auch um die Frage, ob bei der Herstellung und Abrechnung von Zytostatika der Anforderungsschein oder das Rezept entscheidend ist. Das Rezept, meinte zuletzt anders als die Vorinstanz das Landessozialgericht Darmstadt – ließ aber Revision zum Bundessozialgericht (BSG) zu.
Zyto-Apotheker müssen also an einigen Stellen noch warten, bis sie endgültig wissen, woran sie eigentlich sind. Die juristischen Diskussionen und sich widersprechenden Urteile machen das ohnehin nicht mehr so lukrative Geschäft mit Sterillösungen noch unattraktiver – und zum Teil sogar gefährlich für die Apotheker, die sich darauf einlassen.
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