Missachtet der Apotheker einen Rabattvertrag, bekommt er kein Geld. Fehlt ein Kreuz auf dem T-Rezept, drohen fünfstellige Retaxationen. Das war bisher so und daran wird auch die Einigung im Schiedsverfahren nichts ändern. Eine Befreiung von der Retax-Geißel war auch nicht zu erwarten. Linderung verschaffen wird der Deal zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband gleichwohl. Wie viel Linderung, hängt maßgeblich von den Kassen ab. Deren guter Wille ist nur erfahrungsgemäß leider eine Unbekannte mit negativem Vorzeichen. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich keine Seite im Schiedsverfahren mit ihren Maximalforderungen durchsetzen kann. Beide mussten Zugeständnisse machen, Kröten schlucken und unabrückbare Positionen räumen. Dass man sich am Ende trotzdem ohne Schiedsspruch einigte, ist erneut das Verdienst des Schiedsstellenvorsitzenden Dr. Rainer Hess. Der hat nun bereits zum zweiten Mal erfolgreich zwischen Kassen und Apothekern vermittelt.
Einige vermeintliche Opfer der GKV-Seite sind bei Lichte betrachtet keine: Retaxationen wegen des abgekürzten Arztvornamens aus der Praxis über der Apotheke hätte die Politik ohnehin verboten. Und dass die schriftliche Ausformulierung „pharmazeutische Bedenken“ eine im Sinne der Arzneimittelsicherheit unabdingbare Ergänzung der Sonder-PZN „pharmazeutische Bedenken“ gewesen sein soll, war selbst den allermeisten Kassenvertretern zu peinlich.
Dennoch ist die Klarstellung im Rahmenvertrag gut. So selbstverständlich sich diese Dinge ausnehmen – sie waren es in der Vergangenheit zumindest für einige Kassen nicht. Und da sich die Apotheker auf dem steinigen Klageweg regelmäßig nicht auf den Gerechtigkeitssinn der Sozialgerichtsbarkeit verlassen konnten, ist damit schon Abhilfe geschaffen. In Rücksprache mit dem Arzt – und manchmal sogar ohne diese – vermehrt Korrekturen auf dem Verordnungsblatt selbst vornehmen zu dürfen, hilft Apothekern gegen Retaxationen und erhöht ihr Selbstwertgefühl gleichermaßen.
Die DAV-Verhandlungsführer haben sich auch ersichtlich Mühe gegeben, möglichst viele Stolpersteine bei der Abrechnung aus dem Weg zu räumen und diese leichter und sicherer zu machen. Positiv zu bemerken ist auch, dass dabei kein abschließender Katalog verabschiedet wurde, der zwangsläufig unzählige Lücken für künftige Retaxattacken gelassen hätte. Wenn Gerichte künftig im Geiste dieser Einigung Retaxationen überprüfen, haben die Apotheker womöglich mehr Aussicht auf Erfolg.
Ein besonders bitterer Wermutstropfen bleibt aber: Ist das Rezept erst einmal bei der Kasse, verliert der Apotheker den Zugriff und in den meisten Fällen auch die Korrekturmöglichkeit. Die Kassen konnten die unabhängigen Schiedsrichter offenbar davon überzeugen, dass eine anschließende Korrektur der Rezepte zu aufwändig wäre. Denn mit der von Kassen gern beschworenen Arzneimittelsicherheit lässt sich die neue Regelung kaum begründen, wenn der Apotheker zwischen erfolgter Arzneimittelabgabe und Rezepteinreichung noch korrigieren darf. Menschen mit Praxiserfahrung haben sich diese Frage ohnehin nie ernsthaft gestellt.
Neu ist, dass die Rechenzentren die Rezepte nun offiziell korrigieren dürfen. Auch hier haben die Kassen allerdings eine Position geräumt, die sie überhaupt erst in den vergangenen Monaten eingenommen hatten. Eine jahrelang geübte Praxis erhält damit nachträglich den Segen. Hoffentlich hat der DAV dafür nicht zu viel bezahlt.
Die Apotheker und ihre Rechenzentren haben jedoch weiterhin das Problem, nur reagieren zu können. Egal wie gewissenhaft Rezepte geprüft werden, der Erfindungsreichtum der Kassen bei Beanstandungen war in der Vergangenheit nahezu unerschöpflich. Anders als bei einem „Blitzerwarner“ im Radio werden neue Retax-Fallen erst Monate später bekannt. Bis die Apotheken umstellen, können sich die Kassen weiterhin bedienen. Die Zukunft wird zeigen, ob Hess den Weg für ein neues Miteinander geebnet hat.
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