Der unterschiedliche Umgang mit der Verteilung kostenloser FFP2-Masken an Bezugsberechtigte sorgt weiter für Unmut unter manchen Kollegen. In Köln erregten sich mehrere Apotheker über das Vorgehen der Apotheke am Neumarkt von Dr. Axel Vogelreuter. Der hatte tausende Briefe an potentielle Kunden verschickt, in denen er anbietet, die Masken gegen Einsendung des Coupons zu verschicken und die 2 Euro Zuzahlung dafür zu erlassen. Doch die Briefe erreichten offenbar nicht nur die, die sie sollten. Und dann schaltete sich auch noch die Kammer ein.
Der Gedanke ist nachvollziehbar: Vor allem Risikopatienten sollten natürlich am besten zu Hause bleiben und sich nicht mit anderen Menschen irgendwo anstellen, um ihre kostenlosen FFP2-Masken zu erhalten. „Warum sollen sich die Leute in eine 30-Meter-Schlange stellen, wenn sie die Masken auch sicher nach Hause kriegen können?“, fragt Vogelreuter. Also versandte er Werbeschreiben an tausende Menschen über 60 – keineswegs an Stammkunden, sondern an Adressen, die er bei einem professionellen Anbieter erworben hatte. „Bleiben Sie zuhause – bleiben Sie gesund!“, werden die Empfänger darin aufgerufen. Vogelreuters Offerte: Die Empfänger füllen eine kurze Antwortkarte samt Lieferadresse aus und packen ihn samt Berechtigungsschein der Krankenkasse in einen beigelegten Freiumschlag. Und die zwei Euro Zuzahlung? Die erlässt er ihnen.
Doch für die Aktion erhielt Vogelreuter eine Menge Gegenwind. Zahlreiche Kollegen und auch manche Empfänger beschwerten sich. „Das treibt ja Blüten, da ist man von den Socken“, sagt beispielsweise Mario Spieker, Inhaber der Markt-Apotheke in Köln-Porz. Mindestens zehn Empfänger seien mittlerweile in seine drei Apotheken gekommen und verwundert bis erbost über die unerwartete Zuschrift gewesen. „Da kommen Senioren zu uns und fragen, was das ist. Die fragen sich, wo eine Apotheke, die sie gar nicht kennen, ihre Adresse herhat“, sagt Spieker. Und nicht nur das: Die Briefe gingen teilweise an Empfänger, die gar nicht mehr am Leben sind. „Das war bei uns zweimal der Fall. Ein Kunde hat uns gefragt, warum seine Frau so einen Brief bekommt, die sei seit einem halben Jahr tot.“
Vogelreuter bestätigt auf Anfrage, dass seine Werbeschreiben an Verstorbene gingen – und zeigt sich genauso empört darüber: „Das ist mir unendlich unangenehm, weil mir der Dienstleister zugesichert hatte, dass die Daten bereinigt sind und so etwas nicht passieren kann“, sagt er. „Ich habe mich auch bereits schriftlich bei denjenigen entschuldigt, von denen ich weiß, dass das passiert ist.“ Schnell machte das Wort die Runde in den Kölner Apotheken und Vogelreuter sah sich Anschuldigungen ausgesetzt, er habe mit ominösen Adressdaten gearbeitet – doch er betont, dass nicht er persönlich die Briefe versandt hat. „Das ist über einen externen Adressanbieter gelaufen. Wir selbst haben keine Adressdaten in der Apotheke gespeichert, sondern wussten selbst nicht, wer angeschrieben wird.“ Doch das ist nicht mal der größte Aufreger: Gescholten wird er nämlich vor allem dafür, die zwei Euro Zuzahlung zu erlassen.
„Werbung machen ist ja ok, aber solche Aktionen sind schlecht fürs Apothekenimage“, kritisiert beispielsweise Spieker. „Wenn sie sagen, ich verzichte auf Zuzahlung, dann sind das Bonus-Methoden wie die, zu denen sonst Versender greifen.“ Er habe deshalb auch schon die Kammer informiert, aber von der noch keine Rückmeldung erhalten. Vogelreuter wiederum weist auch diesen Vorwurf entschieden zurück. „Meine Intention ist es nicht, den Kollegen das Wasser abzugraben, sondern versandaffine Kunden zu gewinnen und einen Kontrapunkt zu den großen Versendern zu setzen“, sagt er. Und schiebt an die Adresse seiner aufgebrachten Kollegen hinterher: „Dazu muss aber auch jemand mal etwas machen!“ Außerdem habe der Erlass der 2 Euro Zuzahlung auch einen ganz einfachen praktischen Grund: „Wir verramschen gar nichts. Die 2 Euro erlassen wir aus prozessualen Gründen. Warum soll ich den Empfängern denn für diese Summe eine Rechnung beilegen?“ Und den großen Reibach mache er damit sowieso nicht. „So eine Aktion kostet ja auch nicht wenig Geld.“
Die Kammer wiederum hatte zwar nicht auf Spiekers Zuschrift reagiert – dafür aber am Mittwoch ein Sonderrundschreiben verschickt, in dem sie wie auch die saarländische Kammer kurz zuvor die Argumente der Kritiker übernimmt: Apotheken, die die Zuzahlung erlassen, versuchen demnach, sich darüber am Markt zu positionieren. „Wir erachten es als wünschenswert, dass die Apotheken die vom Verordnungsgeber vorgesehene Eigenbeteiligung bei den Anspruchsberechtigten einziehen, um eine verantwortungsvolle Inanspruchnahme zu gewährleisten, und diese nicht als Wettbewerbsinstrument nutzen“, heißt es in dem von Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann und Vizepräsidentin Kathrin Luboldt unterzeichneten Schreiben.
Eine rechtliche Möglichkeit, das zu unterbinden, sieht die Kammer – wie auch die Abda – allerdings nicht. „Diese Einschätzung stellt jedoch keinen Freibrief dar! Im Gegenteil sollte dieses Schreiben als Aufruf zur Solidarität verstanden werden!“, so Hoffmann und Luboldt. „Sich über eine solche Maßnahme zu differenzieren, ist einem kollegialen Miteinander nicht zuträglich. Nur weil etwas legal ist, ist es noch lange nicht richtig. Manche Kolleginnen und Kollegen sollten gerade diesen Satz noch einmal sacken lassen.“ Umgekehrt adressiert die Kammerführung aber auch die Kritiker der Aktion: Sie bitten die Kollegen, „sich unserem Appell für ein einheitliches Auftreten auf lokaler/regionaler Ebene anzuschließen und dort zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen“, so das Schreiben. „Denn für das Verfolgen berufsrechtlich relevanter Unkollegialität besteht in diesem Zusammenhang keine Veranlassung.“
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