Seit Mittwochnacht steht fest: Ein Rx-Versandverbot wird es bis zur Bundestagswahl nicht mehr geben. Die ABDA hat dafür gekämpft, wollte „aus allen Rohren schießen“. Auf das negative Ergebnis hat ABDA-Präsident Friedemann Schmidt bislang aber nur mit einer knappen Videobotschaft reagiert. Das lässt Apothekerin Christiane Patzelt von der Land-Apotheke im brandenburgischen Leegebruch nicht ruhen. Sie hat ihre digitale Sichtwahl von Arzneimitteln auf politischen Protest umgestellt: Dort greift sie SPD und Grüne frontal an.
„Die SPD vernichtet Ihre Apotheke vor Ort“, steht auf den Bildschirmen auf rotem Untergrund zu lesen. Daneben bekommen die Grünen mit demselben Slogan auf grünem Grund ihr Fett weg. Ausländische Versandapotheke würden massiv von beiden Parteien unterstützt – mit „staatlichen Fördergeldern, nicht eingeforderten Strafzahlungen sowie erlaubter Bonusgabe, die uns verboten ist“. „Und die SPD sieht Ihre Apotheke vor Ort nicht in Gefahr – ein fataler Irrtum“, heißt es weiter, in entsprechend abgewandelter Form auch bei den Grünen.
„Die Politiker von SPD und Grünen verstehen die Dringlichkeit nicht“, sagte die Apothekerin. Ihre Kunden reagierten auf die politischen Aussagen mit Kopfnicken. Mit anderen gab es Diskussionen über die Zusammenhänge. Patzelt sieht für die weitere Entwicklung schwarz: Als Regierungspartei trage die SPD die Verantwortung, dass sich der Versandhandel noch stärker etabliere, „dass das wirklich nicht mehr rückgängig zu machen ist“. Die Vorschläge zur Deckelung der Boni könnten nicht für Rechtssicherheit sorgen: „Wer hält sich daran?“
Patzelt ärgert sich auch über die Diskrepanz im Auftreten der weiblichen Politikerinnen: Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) beispielsweise poste bei Facebook eine Werbung für die „frauen-unternehmen-initiative.de“ und rufe alle selbstständigen Frauen auf, die Neugründerinnen zu unterstützen. „Gleichzeitig wirft sie 150.000 Frauenarbeitsplätze auf den Kapitalmarkt, wo die Rendite alles bedeutet“, schimpft Patzelt.
Und auch Kordula Schulz-Asche von den Grünen mache auf Facebook viel „Trara“ um den Equal-pay-day und wie ungerecht die Arbeitswelt doch für die Frauen sei. „Gleichzeitig tanzt Sie mit Herrn Buse Walzer und präsentiert sich digital, weltoffen, modern. Sie kokettiert mit dem Antrag der Grünen, der so nichtssagend zu dem Thema ist, nimmt die Idee Höchstpreise in Ihre Agenda auf, ohne wirklich zu wissen, welche Lawine sie damit ins Rollen bringt!“ Die Kassen hätten die Selektivverträge schon in den Schubladen: „Keine freie Wahl der Apotheke mehr!“
Es sei ein fataler Fehler, „uns Apotheker mit unseren Apotheken nur auf die Logistik zu reduzieren.“ In der Apotheke arbeiteten nur Menschen mit Ausbildung oder Studium. „Wir sind keine Logistiker! Das ist nur ein kleiner Teil des Ganzen.“ In der älter werdenden Gesellschaft müssten lokale Strukturen gestärkt werden, findet Patzelt.
Mit der ABDA-Kampagne für das Rx-Versandbverbot ist Patzelt alles andere als zufrieden. „Die tut gut daran, unser Auftreten medial wesentlich zu verbessern.“ Es gebe so viele Vorurteile über Apotheker, die endlich aus dem Weg geräumt gehörten. Leider sei die ABDA aber vorwiegend mit sich selbst beschäftigt und baue ein neues Haus für 35 Millionen Euro. „Das kostet mich einen Haufen Geld und ich hab außer jammernde Gesichter keinen Benefit von dieser Veranstaltung“, schimpft Patzelt. Das sei ja wie früher „Erichs Lampenladen“ in der DDR: Große Paläste, aber alles nur Fassade. „Lutz Tisch hat in meinen Augen die Lage völlig verpeilt. Zieht er Konsequenzen daraus?“ Die Apothekerin fordert personelle Konsequenzen: „Wir warten.“
Auch Apotheker Dr. Michael Gehlen ist unzufrieden und hat eine Aktion gestartet. Er betreibt die Hubertus-Apotheke in Kempen, keine 20 Kilometer von der deutsch-niederländischen Grenze entfernt. Er hat bei Facebook einen Post der SPD-Landtagskandidatin Tanja Jansen entdeckt, der ihn in der aktuellen Debatte verägert hat.
Jansen kämpft um ein Mandat, wenn am 14. Mai in Nordrhein-Westfalen (NRW) ein neuer Landtag gewählt wird. Sie kandidiert für den Wahlkreis Viersen II, zu dem Brüggen, Grefrath, Nettetal, Niederkrüchten und eben auch Kempen gehören. Jansen ist selbst gelernte Krankenschwester, Gesundheitspolitik dürfte ihr daher ein besonderes Anliegen sein. Am 1. März postete sie auf ihrer eigenen Facebook-Seite: „Wir brauchen im Kreis Viersen eine hochwertige Gesundheitsversorgung: wohnortnah, vorsorgend und gut vernetzt.“
Gehlen hat das Bild auf seiner Facebook-Seite geteilt und mit einem eigenen Spruch gekontert: „SPD steht für Arzneimittelversand aus dem Ausland durch Großkonzerne“, heißt es da. Und weiter: „SPD legt wenig Wert auf mittelständische Arzneimittelversorgung vor Ort auf anerkannt hohem Niveau, 150.000 Arbeitsplätze in deutschen Apotheken, sichere Versorgung auch in Krisensituationen.“ Am Ende prangt die Schlussfolgerung: „Für uns unwählbar!!!“ Gezeichnet ist das Schreiben vom Team der Hubertus-Apotheke. Bislang hat Gehlen den Text nur über Facebook verbreitet. Er überlegt aber, ob er einen Ausdruck davon auch in seiner Apotheke zum Einsatz bringen soll.
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