Substitutionsausschlussliste

Aut-idem-Retax wegen Reimportvertrag Alexander Müller, 15.09.2015 12:52 Uhr

Berlin - 

Aut-idem gibt es nicht und selbst die ansonsten unantastbaren Rabattverträge der Krankenkassen laufen ins Leere: Die Substitutionsausschlussliste gilt absolut. Seit Dezember dürfen acht besonders kritische Wirkstoffe nicht mehr ausgetauscht werden. Die Software bietet in diesen Fällen auch keine Substitution an. Genau das kann Apothekern zum Verhängnis werden: Bei Importen droht je nach Kasse die Nullretaxation.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte vor einem Jahr die erste Tranche von Wirkstoffen benannt, die nicht mehr substituiert werden dürfen: Betaacetyldigoxin, Digitoxin und Digoxin, Tacrolimus, Levothyroxin-Natrium (Tabletten) sowie Levothyroxin Natrium und Kaliumiodid (fixe Kombination/Tabletten). Seit Mitte Dezember sind die Wirkstoffe für die Substitution gesperrt. Für Phenytoin und Ciclosporin gilt das Austauschverbot bereits seit April 2014.

Ist das verordnete Präparat nicht lieferfähig oder hat der Arzt lediglich einen Wirkstoff verschrieben, muss das Rezept zur Korrektur zurück in die Praxis. Auch pharmazeutische Bedenken können die Apotheker bei diesen Wirkstoffen nicht mehr geltend machen. Etwaige Rabattverträge der Krankenkassen werden von der Aut-idem-Liste ausgestochen: Der Austausch eines Rabattpartners ist also nicht notwendig, er ist sogar verboten. Aus diesem Grund hatten einige Kassen die Ärzte über ihre Verträge informiert und um entsprechende Verordnung gebeten.

Doch jetzt haben die Kassen offenbar eine neue Retaxlücke entdeckt: Der Austausch von Original gegen Import ist demnach trotz Aut-idem-Liste möglich. Ein Rabattvertrag mit einem Reimporteur müsste also bedient werden, selbst wenn der Arzt das Originalpräparat verschrieben hat.

Die KKH hatte seit Juli 2013 einen solchen Rabattvertrag mit dem Reimporteur CC Pharma über Tacrolimus geschlossen. Ein Apotheker wurde in mehreren Fällen wegen der Abgabe des Originalpräparats Prograf (Tacrolimus) auf Null retaxiert. Der Schaden ist insgesamt vierstellig.

Die Kasse begründete dies mit der Nichtbeachtung des Rabattvertrags mit dem Reimporteur. Verordnet war in diesem Fall allerdings Prograf mit Nennung des Originalherstellers Astellas. Das Problem: In seiner Software wurde der Rabattvertrag gar nicht angezeigt, so der Apotheker. Denn die Aut-idem-Suche ist für alle Wirkstoffe abgeschaltet, die auf der Substitutionsausschlussliste stehen.

Dennoch pochte die Kasse auf den Austausch, der Einspruch des Apothekers wurde abgelehnt. In den Verträgen ist nicht klar geregelt, ob bei Reimporten trotz Aut-idem-Liste eine Austauschpflicht besteht. Wenn der Arzt zusätzlich die Pharmazentralnummer (PZN) des Originals angegeben hat, muss die Apotheke aus Sicht des Deutschen Apothekerverbands (DAV) jedenfalls nicht substituieren.

Schwieriger ist es, wenn der Arzt nur den Namen des Originalpräparats, Packungsgröße und Wirkstärke verordnet hat. Die Reimporteure tragen meist keinen Zusatz im Namen. Eine Kasse mit Rabattvertrag könnte sich auf den Punkt stellen, dass der Reimporteur mit der Verordnung gemeint sei.

Und was den Austausch betrifft, können die Kassen Generika von Reimporten abgrenzen und das Substitutionsverbot unterschiedlich anwenden. Auf diese Weise kann beides zum Retaxgrund werden: Die Nichtbeachtung des Import-Rabattvertrags oder die Nichtbeachtung der Aut-idem-Liste. Erschwerend kommt hinzu, dass die Software auch nicht vor dem Verbot warnt.

Aktuell stellt sich zumindest bei der KKH das Problem nicht mehr: Der Rabattvertrag zu Prograf von CC Pharma ist Ende Juni ausgelaufen. Verträge zu Wirkstoffen von der Liste gibt es aber durchaus, teilweise auch mit dem Originator. Rund 40 Kassen, darunter die Barmer GEK und zahlreiche BKKen, haben einen Rabattvertrag mit Astellas über Prograf geschlossen. Hier könnte also die Verordnung eines Reimports zum Problem werden, wenn die Kassen den Fall so sehen wie die KKH.

Zur Austauschpflicht von Reimporten hatte ein Urteil des Sozialgerichts Koblenz im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt: Bei Namensverordnungen mit Aut-idem-Kreuz dürften auch Importarzneimittel nicht gegen das Original ausgetauscht werden – und umgekehrt, so das Gericht.

Auslöser war eine Retaxation der Schwenninger Krankenkasse: Ein Apotheker hatte das namentlich verordnete Importarzneimittel von Kohlpharma abgegeben. Die von der Kasse beauftragte Abrechnungsstelle Emmendingen retaxierte den Apotheker wegen Nichtbeachtung des Rabattvertrags mit dem Originalhersteller. Dagegen hatte der Apotheker erfolgreich geklagt, das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatte sich in der Folge mit dem Verband der Ersatzkasse (VDEK) vertraglich darauf verständigt, das Urteil Urteil sein zu lassen und die eingespielte Praxis beizubehalten: Ein Original darf demnach immer gegen einen Reimport ausgetauscht werden, auch bei gesetztem Aut-idem-Kreuz. Zur Aut-idem-Liste gibt es noch keine Klarstellung – dafür Retaxationen.