Inhaberin zeigt Zivilcourage

„Kinderschuh-Aktion“: Querdenker terrorisieren Apotheke

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Berlin -

Es schien in den vergangenen Monaten etwas ruhiger geworden um die Querdenker-Szene. Doch die Netzwerke im Hintergrund sind nach wie vor äußerst aktiv. Das hat Inhaberin Doris Maria Krünägel-Schropp unsanft zu spüren bekommen: Sie wehrte sich gegen den geschmacklosen Protest angeblicher besorgter Eltern vor ihrer Apotheke – und trat damit eine Lawine los. Die Querdenker veranstalteten eine Demo vor ihrer Apotheke, Schropp musste aus Sicherheitsgründen schließen. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen – und wird dafür auch entlohnt, denn so groß der Hass ist, der ihr entgegenschlägt, so groß ist auch die Solidarität ihrer Kunden.

Massendemos wie im vergangenen Sommer und Herbst gibt es kaum noch. Man sollte schließlich meinen, dass 80.000 Todesfälle noch den letzten Unentschlossenen überzeugt haben sollten, dass es Corona wirklich gibt und die Gefahr nicht aus irgendwelchen arkanen Gründen heruntergespielt wird. Doch die Querdenker-Szene ist, wenn auch auf einen harten Kern geschrumpft, weiterhin höchst aktiv – und lernt, sich zu maskieren. Als besorgte Eltern beispielsweise: Seit mehreren Wochen legen Aktivisten im Rahmen der „Aktion Kinderschuh“ in zahlreichen deutschen Städten Kinderschuhe vor Rathäuser, vorgeblich um auf die Folgen von Schulschließungen für Kinder und Heranwachsende hinzuweisen, meist in Kombination mit Plakaten, auf denen die Corona-Politik mehr oder weniger deutlich angeprangert wird.

Dahinter steht der Verein „Eltern stehen auf“, der – wie Recherchen des MDR belegen – der Querdenker-Bewegung zuzuordnen ist. Der Verein engagiert sich nicht nur gegen Schulschließungen und will Kinder von Test- und Maskenpflichten befreien, sondern bietet auch allerlei „Informationsmaterial“, in dem zum Beispiel behauptet wird, dass bei PCR-Tests DNA-Proben der Getesteten entnommen und archiviert würden oder etwa, dass mRNA-Impfstoffe die DNA der Geimpften manipulieren würden.

Und selbst wenn man mit viel gutem Willen nur besorgte Eltern erkennen will: Auch die Form des Protests ist mindestens geschmacklos. Jüdische Gemeinden in Deutschland haben bereits protestiert, denn die Ansammlungen von Kinderschuhen sind eine kaum zu leugnende Anspielung auf den Holocaust. „Wir protestieren auf das Schärfste gegen diese widerliche Aktion, die die hunderttausendfachen Morde an jüdischen Kindern symbolisch mit den Corona-bedingten Beschränkungen für unsere Kinder gleichsetzt und somit ein weiteres Mal in unzulässiger Art und Weise die Verbrechen des deutschen Hitler-Faschismus relativiert“, zeigte sich Diana Sandler, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde im Barnim, gegenüber dem RBB entrüstet. „Dieses Gleichnis ist genauso geschmacklos und antisemitisch wie der Judenstern für die Impfgegner.“ Schropp sieht das genauso – und war umso schockierter, als sie am Gründonnerstag kurz vor Arbeitsbeginn ebensolche Kinderschuhe vor ihrer Apotheke fand.

„Jeder halbwegs gebildete Mensch weiß, dass damit auf den Holocaust angespielt wird – der wird damit also auch noch relativiert“, sagt sie. Dass die Aktion direkt vor ihrer Apotheke stattfindet, wollte sie nicht zuletzt deshalb nicht akzeptieren. Schropps Marien-Apotheke im bayerischen Markt Rettenbach teilt sich nämlich den Eingang mit dem dortigen Rathaus. „Da komme ich morgens zur Apotheke und sehe als Erstes Schilder gegen Atemschutzmasken“, erinnert sie sich. Also ging sie schnurstracks ins Rathaus und verlangte, dass die Schuhe und die Schilder entfernt werden – doch sie wurde vertröstet. „Der Kämmerer sagte mir, der Bürgermeister habe die Aktion genehmigt.“

Also wartete sie vorerst und hoffte auf ein Einlenken des Bürgermeisters – vergebens. Als nach fünf Stunden nichts passiert war, rief sie die Polizei. Die kam auch schnell, in ihrem Windschatten aber auch direkt zwei der Kinderschuh-Aktivisten. „Ich habe der Polizei gesagt, dass durch die Aktion der Zugang zur Apotheke versperrt wird. Die Beamten meinten aber nur, dass sie nichts machen könnten, weil keine verfassungsfeindlichen Symbole zu sehen sind. Damit war es für sie erledigt.“ Für Schropp hingegen fing der Ärger erst so richtig an.

Wo die beiden herkamen und wie sie so schnell Wind davon bekamen, dass die Polizei anrückt, wisse sie selbst nicht. Wohl aber, wie es weiterging: „Die beiden behaupteten, das wäre eine rein lokale Kinderwohlaktion, die von niemandem gesteuert sei“, erzählt sie und erinnert daran, dass wortgleiche Plakate zeitgleich auch in anderen deutschen Städten zu sehen waren. „Sie haben mir dann vorgeworfen, ich wäre gegen Kinder.“ So schaukelte sich die Situation hoch, schließlich gesellte sich noch der Arzt aus der Praxis gegenüber hinzu, um vor der Polizei ebenfalls gegen die Aktion zu protestieren – allein, dass er es sehen muss, sei unzumutbar. „Es war eine mordshitzige Diskussion. Am Ende musste die Polizei uns voneinander trennen“, sagt Schropp. Letztlich mussten die Aktivisten die Schuhe und Plakate zumindest aus der unmittelbaren Nähe der Apotheke entfernen. „Von mir aus kann sich jeder ein Schild in seinen Vorgarten stellen, auf dem steht, dass die Erde eine Scheibe ist. Das ist mir vollkommen wurscht. Aber nicht hier, wo Gesundheitsversorgung geleistet wird!“, so die Inhaberin. Doch mit ihrem Eingreifen hatte sie offenbar in ein Wespennest gestochen.

Kurz darauf entspann sich im Internet ein Shitstorm gegen sie. Querdenker und Unterstützer der Kinderschuh-Aktion – sofern nicht deckungsgleich – bombardierten sie mit Beleidigungen und Drohungen. „Die schlimmsten Dinge habe ich gelöscht, aber auch das, was da noch auf der Facebook-Seite meiner Apotheke steht, ist teilweise unappetitlich.“ Eine Woche nach der Schuh-Aktion folgte dann die nächste Eskalationsstufe.

Abends halb sechs wunderte sie sich, dass ein Polizeiwagen vor ihrer Apotheke hielt. Was denn los sei, fragte sie die Beamten. „Sie wissen schon, dass hier 18 Uhr eine Demonstration stattfindet, oder?“, war die Reaktion. Die Querdenker hatten mobilisiert und eine Demo gegen die Apotheke auf die Beine gestellt. „Ich war schockiert, dass das vor meiner Haustür passiert. Die Polizei meinte dann zu mir, ich solle vorsichtig sein und besser zusperren. Also habe ich meine Mitarbeiter nach Hause geschickt, die Apotheke abgeschlossen und bin weggefahren.“ Was danach geschah, hat sie sich deshalb selbst nur berichten lassen: „Da kam ein Speaker-Paar extra aus Kempten und hat zwei Stunden lang unglaublichen Mist erzählt. Die haben geleugnet, dass es Corona überhaupt gibt, haben Tests und Masken als sinnlos bezeichnet und lauter solches Zeug, es war nur zum Fremdschämen“, erzählt sie. „Und die Frau hat wohl Kette geraucht, während sie ein Kind im Arm hatte. So viel zum Thema Gesundheitsschutz für Kinder.“

Rund ein Dutzend Querdenker hätten vor der Apotheke gestanden, flankiert von doppelt so vielen Schaulustigen und zwei jungen Frauen, die gegen die Kundgebung protestierten. Und auch der Arzt gegenüber zeigte wieder Zivilcourage. „Es gab dann Ärger zwischen den Speakern und den beiden mutigen Gegendemonstrantinnen. Der Arzt hatte zufällig Abendsprechstunde und kam ihnen dann zu Hilfe. Da wurde er selbst noch angegangen. Am Ende wurden sogar Patienten angepöbelt, die aus der Arztpraxis kamen. Es war richtig übel.“ Die Auseinandersetzung wurde daraufhin zum Gespräch im Ort, schließlich hat sich sogar er Pfarrer eingeschaltet, um zu vermitteln – und wurde dann selbst angefeindet. „Am Ende kam selbst der Pfarrer zu mir, um mir sein Leid zu klagen.“

Schropp selbst befasste sich unterdessen eingängig mit den Strukturen hinter der Kinderschuh-Aktion und sah ihre Befürchtungen nur bestätigt: „Die Kinder werden vorgeschoben, um gegen Masken zu protestieren“, sagt sie. „Die wollen Eltern erreichen, die sich um ihre Kinder sorgen – was ihnen natürlich völlig unbenommen ist – und die so auf ihre Seite ziehen und radikalisieren. Das ist ein richtig brauner Sumpf. In den letzten beiden Wochen habe ich mehr über die Demokratiefeinde in unserem Land gelernt als in den letzten 40 Jahren zusammen.“

Doch das ist nur ein Teil der Geschichte, der andere ist weit erfreulicher: „Seit der Aktion hat sich die Kundenfrequenz in meiner Apotheke verdoppelt“, sagt Schropp. „Denn es gab eine Gegenbewegung. Die Querdenker sind nur vereinzelte Personen, es entstand aber auch eine Welle der Zustimmung.“ Blumen und Schokolade habe man ihr geschenkt, Unbekannte hinterließen ein Plakat an ihrer Apotheke: „Ehrenfrau! Danke für Mut und Positionierung an Frau Schropp“, steht darauf, umrahmt von Herzen. „Viele meinten zu mir: ‚Endlich sagt mal jemand was gegen die!“ Andere Solidaritätsbekundungen richteten sich direkt gegen die Kinderschuh-Aktion: „Der leicht durchschaubare Akt, den Holocaust mit Corona-Einschränkungen gleichsetzen zu wollen, ist verabscheuungswürdig“, steht auf einem anderen Plakat.

Schropp hat also nicht nur ihren eigenen Standpunkt verteidigt, sondern offensichtlich auch vielen Menschen Mut gemacht. Das entschädigt für den Ärger, leicht sei es trotzdem nicht gewesen. „Es kostet wirklich Energie und das alles wegen so einer superdämlichen Aktion, mit der sich hier bei uns irgendwelche braunen Truppen festsetzen wollen“, sagt sie. „Ich dachte immer, Deutschland hätte etwas aus seiner Geschichte gelernt, aber ich habe meine Meinung nun geändert. Es ist wirklich erschreckend, wie tief diese braunen Netzwerke verwurzelt sind und wie viel die auf die Beine stellen können. Und es ist beängstigend, wie schnell man in die Schusslinie dieser Leute gerät.“

 

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