Die Versorgung mit Kinderarzneimitteln sollte nach den gravierenden Engpässen in der vergangenen Erkältungssaison verbessert werden. Eine Maßnahme war die Aufhebung von Festbeträgen durch die Umsetzung einer Regelung des Lieferengpass-Gesetzes (ALBVVG): Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlicht eine Liste mit Arzneimitteln, die aufgrund der zugelassenen Darreichungsformen und Wirkstärken zur Behandlung von Kindern notwendig sind. Zum 1. Februar wurde bei 472 Medikamenten der Festbetrag aufgehoben. Die große Überraschung: Platzhirsche wie Ratiopharm und AbZ sind bei Fiebersäften nicht berücksichtigt worden.
Im vergangenen Jahr wurde das BfArM im Rahmen des ALBVVG damit beauftragt, eine Kinderarzneimittelliste zu erstellen – und die Liste aktuell zu halten. Aufgenommen werden Arzneimittel, die aufgrund der zugelassenen Darreichungsformen und Wirkstärken zur Behandlung von Kindern notwendig sind, unter anderem Wirkstoffe wie Ibuprofen und Paracetamol oder diverse Antibiotika.
Dazu gehören vor allem kindgerechte Darreichungsformen – insbesondere zur Behandlung von Kindern bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres – wie flüssige Darreichungsformen wie Saft, Sirup, Suspension und Lösung zum Einnehmen oder Zäpfchen. Aber auch Parenteralia, die ausschließlich in der Pädiatrie Anwendung finden, sind gelistet. Außerdem sind Kinderarzneimittel aufgeführt, für die es nur drei oder weniger Zulassungsinhaber, endfreigebende Hersteller oder Wirkstoffhersteller für im Verkehr befindliche Arzneimittel gibt.
Die Veröffentlichung der ersten Liste erfolgte am 27. Juli. Der GKV-Spitzenverband hob daraufhin die Festbeträge der darin aufgeführten Arzneimittel zum 1. Februar auf. Wichtige Hersteller fehlen jedoch.
„Aus uns nicht bekannten Gründen waren in der ursprünglichen Liste des BfArM eine Reihe von Kinderarzneimitteln nicht berücksichtigt, wie beispielsweise Fiebersäfte der Marken Ratiopharm und AbZ“, beklagt eine Sprecherin des Herstellers Teva. „Wir haben das BfArM daraufhin umgehend über die nicht aufgeführten, jedoch notwendigen Medikamente unserer Marken informiert.“
Die Antwort war ernüchternd: „Eine entsprechende Aktualisierung der Liste erfolgte von Seiten des BfArM allerdings erst am 11. Januar 2024.“ Will heißen: „Die Umsetzung dieser aktualisierten Liste im Sinne der Aufhebung der Festbeträge kann erneut bis zu vier Monate dauern“, so die Sprecherin. Demzufolge sei bis zur Nachbesserung die Erhebung von Mehrkosten für die Patient:innen nötig. Auf der aktualisierten Liste finden sich namhafte Hersteller wie Ratiopharm, AbZ und Aluid nun wieder.
„Teva ist zutiefst verwundert und besorgt über die mangelhafte Datenqualität der Ursprungsliste und die nicht mehr zeitgemäße Dauer, die für Korrekturen und Änderungen von dem BfArM und dem GKV-Spitzenverband benötigt werden“, so die Sprecherin. Man versuche alles, um eine schnellstmögliche Korrektur sicherzustellen: „Auf das Verfahren haben wir jedoch keinen Einfluss. Wir hoffen auf eine zeitnahe Anpassung der Festbeträge aller betroffenen Produkte.“
In der Apothekenpraxis bedeutet das: „Die Mehrkosten entstehen scheinbar je nach Wirkstoffstärke“, so ein Inhaber aus Baden-Württemberg. „Für Zäpfchen mit 75 mg Paracetamol zahlen Eltern keine Mehrkosten, ganz gleich welche Firma. Anders sieht es bei Verordnungen mit 125 mg Paracetamol-Zäpfchen aus. Wir müssen Eltern zur Kasse bitten, da Mehrkosten entstehen, außer bei den Firmen Stada und Bene Arzneimittel“, so der Inhaber. „Bei 250 mg entstehen wiederum keine Mehrkosten, bei 500 mg müssen die Eltern nur bei der Firma Aluid in die Tasche greifen. Das ist doch völlig irre“, so der Apotheker.
Ähnlich verhalte es sich auch bei Nasenspray und -tropfen für Kinder: „Gebe ich Otriven 0,025 Prozent ab, so ist es für die Eltern per Kinderrezept sozusagen kostenlos. Bei der Wirkstärke 0,05 Prozent sind aber wiederum alle Hersteller mit Mehrkosten belegt. Und jetzt wird es völlig verrückt, denn bei der Marke Nasivin entstehen bei allen Stärken keine Mehrkosten“, so der Apotheker.
Gleiches Chaos bei Fiebersäften für Kinder: „Bei Abgabe eines Ibuprofen-Saftes 4 Prozent tauchen in der Taxe insgesamt elf Anbieter auf. Nur bei drei Firmen gilt ein Festbetrag: Ratiopharm, Berlin Chemie und AbZ“, so der Inhaber. „Ich nahm an, es handelte sich bei Erstellung der Kinderarzneimittelliste um Festbetragsgruppen. Aber dann müsste es doch heißen: Entweder sind bei allen Firmen die Festbeträge aufgehoben oder bei keiner“, wundert sich der Inhaber.
Die Abdata weist auf Folgendes hin: „Bis zum 1. Februar hat es sich tatsächlich um eine einheitliche Festbetragsgruppe gehandelt. Dann sind die Bestimmungen des ALBVVG in Kraft getreten. Das Gesetz bestimmt zur Aufhebung von Festbeträgen von Kinderarzneimitteln eine Veröffentlichung auf der Liste der Kinderarzneimittel gemäß § 35 Abs. 5a SGB V des BfArM mit viermonatiger Vorlauffrist ab Veröffentlichung im Bundesanzeiger“, so ein Sprecher. „Acht Firmen standen rechtzeitig auf der BfArM-Liste in Bezug auf die Ibuprofensäfte, aber drei nicht.“ Dazu gehörten Ratiopharm, AbZ und Berlin Chemie. „Deshalb hat der GKV-Spitzenverband auch nur bei diesen den Festbetrag aufgehoben. Ich gehe davon aus, dass es hier auf Dauer noch Nachbesserungen und Angleichungen geben wird“, so der Sprecher.
Dass die Fehler jetzt erst auffallen, hat damit zu tun, dass die Kassen die Festbeträge vorübergehend ausgesetzt hatten: „Die Mehrkosten entstehen, wenn die Anbieter, nachdem am 1. Februar 2024 die Aussetzung der Festbeträge geendet ist und sich damit für die Ibuprofensäfte dieser Anbieter keine unmittelbare Anschlusslösung ergeben hat, ihren AVP nicht auf das Festbetragsniveau wieder abgesenkt haben“, so der Abdata-Sprecher.
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