Grintz auf der APOTHEKENTOUR

„Keine Zeit für Sonnencreme“ – Apotheker streicht Freiwahl

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München -

Apotheker Michael Grintz aus München setzt auf Pick-up- und Lieferkonzepte, weil er überzeugt ist, dass darin die Zukunft liegt. Was das mit Lieferengpässen zu tun hat, warum sein Personal glücklicher ist und wieso er jetzt sogar seine Freiwahl ausgeräumt hat, verriet er auf der APOTHEKENTOUR in München.

Die Lieferengpässe seien eine Schande für das Gesundheitswesen in Deutschland, findet auch Grintz. Dabei sieht er sich mit seinem Verbund noch gut aufgestellt: In der Regel könne jede Kundin und jeder Kunde versorgt werden, weil man das benötigte Medikament aus einer der Apotheken mit dem Botendienst nachliefern könne. „So können wir Einiges auffangen.“

Von der Engpass-Prämie in Höhe von 50 Cent hält er nicht viel: „Ich habe immer noch nicht verstanden, wie wir das bekommen sollen: Wenn wir hier viel dokumentieren müssen, wird das womöglich am Ende sogar noch unwirtschaftlich.“ Die 21 Euro, die von der Abda gefordert werden, hält er zwar für sportlich – aber für einen guten Einstieg, so wie ihn auch Gewerkschaften in Tarifverhandlungen wählen.

Seiner Meinung nach weiß Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sehr genau, wo die Ursachen für die Engpässe liegen. Nur sei er eben nicht bereit oder in der Lage, Geld zur Lösung der Probleme in die Hand zu nehmen. „Es gibt sicher keine einfache Lösung, man müsste investieren. So lange die Krankenkassen nicht bereit sind, mehr zu bezahlen, werden die Engpässe andauern.“ Mehr Ratschläge kann er nicht geben: Seine Aufgabe sei es, die Rezepte seiner Kundinnen und Kunden zu beliefern, „die strukturelle Probleme im Hintergrund kann ich nicht lösen.“

„Das kostet Arbeitszeit“

Aber ganz klar ist für ihn auch: Die Engpässe sind nicht nur ein Drama für die Patientinnen und Patienten, sondern auch eine betriebswirtschaftliche Herausforderung für die Apotheken. „Das kostet Arbeitszeit, die woanders verloren geht.“ Dass er mehr Aufwand habe, gleichzeitig aber einen höheren Zwangsrabatt leisten müsse, könne er sich nur leisten, indem er sich von anderen Dingen trenne.

„In meiner Apotheke gibt es keine Freiwahl mehr, denn sie rechnet sich unter den gegenwärtigen Umstände betriebswirtschaftlich nicht. Das pharmazeutisches Personal hat die Zeit nicht, zu einer normaler Falten- oder Sonnencreme zu beraten. Und im Grunde will das auch gar niemand aus meinem Team machen.“

Zurück zur Pharmazie also? Ein Stückweit schon, findet Grintz: Er wolle einen Arbeitsplatz bieten, der Freude mache. „Wir haben aktuell fünf neue Pharmaziepraktikanten aus ganz Deutschland. Wir haben nie Probleme gehabt, gutes Personal zu finden.“

Spaß machen, das ist für ihn in erster Linie mehr Zeit für pharmazeutische Beratung: „Dafür hat man schließlich studiert oder die Ausbildung gemacht. Ich möchte keine Kunden, die nur in der Freiwahl Zeit rauben und Beratungsgespräche wollen, die meine Mitarbeiter nicht wollen.“ Aber auch betriebswirtschaftlich hat die Freiwahl für ihnen ihren Reiz verloren: „Es bleibt nichts hängen in der Freiwahl, da sie so viel Zeit raubt.“

Apotheke vs. Abholstelle

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er die Freiwahl für seine neuen Pick-up- und Abholkonzepte braucht. Dort, wo einst Kosmetik- und Nahrungsergänzungsprodukte standen und wo zuletzt die Teststation war, ist jetzt die „Servicestation“ zu finden, die laut Grintz dank Abtrennung vom HV-Bereich nicht mehr zu den Apothekenräumlichkeiten gehört. „Hier bedienen wir unsere Abholer, hier muss man nicht mehr anstehen, hier wird aber auch nicht mehr beraten.“

Nicht nur an Kundinnen und Kunden, die ihre Medikamente vorbestellt haben, wird hier die Ware ausgegeben, sondern auch an die sechs hauseigenen Boten, die man in pharmazeutischen Fällen losschickt, und die Fahrer der unterschiedlichen Lieferdienste, mit denen Grintz mittlerweile kooperiert: Von Shop Apotheke über DocMorris bis hin zu Amazon, Angel, Lieferando oder Wolt sind aktuell oder demnächst so ziemlich alle großen Anbieter dabei. Nur Mayd wolle ihn nicht, berichtet Grintz – weil die anderen Apotheken angedroht hätten, dass sie dann abspringen würden.

„Wir versuchen aber es zu vermeiden, die Ware zu den Kunden nach Hause zu liefern“, berichtete Grintz. Sieben Abholstationen betreiben er beziehungsweise seine Familie selbst in München, demnächst sollen auch externe Abholboxen genutzt werden, wie sie etwa die Deutsche Bahn gerade plant. „Man kennt die Locker von DHL und Amazon, aber in Zukunft wird es Boxen geben, die alle möglichen Händler nutzen können.“ So kooperiert Grintz bereits mit dem österreichischen Anbieter Myflexbox, der in München derzeit fünf Abholfächer betreibt.

Beratung ist nicht gleich Abgabe

Und wie war das jetzt mit der Pharmazie? „Die ideale Apotheke ist für mich eine, in der nur noch beraten wird und in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nichts mehr mit der Logistik zu tun haben.“ An einem optimalen Arbeitsplatz läuft laut Grintz alles vollautomatisiert, und anders als heute findet die – gerade bei neuen Medikamenten obligatorische – Beratung aus seiner Sicht unabhängig von der Abgabe statt. „Die Packungspauschale könnte runter, wenn dafür die Beratungspauschale hoch geht.“ Langfristig sei dies für die Apotheke sogar essenziell: „Wir müssen besser sein als ein Avatar, denn es gibt viele Dinge, die die KI heute schon übernehmen könnte. Das wird auch unseren Beruf betreffen.“

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