Apothekenschließung

Keine Überlebensgarantie am Starnberger See Eugenie Ankowitsch, 25.02.2018 10:59 Uhr

Berlin - 

56 Jahre nach ihrer Gründung wurde die Tutzinger Brahms-Apotheke zum Jahresende aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Inhaberin Julia Francke begründet das mit der infrastrukturellen Veränderung nach Entstehung eines Einkaufszentrums, in dem sie auch die Lindemann-Apotheke betreibt. Über die Jahre hätten sich die Kundenströme immer mehr dorthin verlagert. Kunden, die der Brahms-Apotheke am Ende gefehlt haben.

Die Apothekerin hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. „Es war mir zunehmend unmöglich, die Apotheke so zu führen, wie es meine persönlichen Ansprüche fordern, und die Zerrissenheit zwischen den beiden Standorten war mitunter sehr belastend“, schrieb sie in einer Mitteilung an ihre Kunden. Doch es waren auch handfeste wirtschaftliche Gründe, die sie zur Aufgabe des Standortes zwangen.

2009 hatte Francke die Brahms-Apotheke gekauft und grundsaniert. „Im Prinzip standen nur die Wände“, lacht sie. Die Decke, der Boden und die Beleuchtung wurden ausgetauscht. Es kam eine neue Einrichtung rein. „Ich habe auf dieses Pferd gesetzt und viel investiert“, berichtet die Apothekerin. Etwa zeitgleich habe sie erfahren, dass – entgegen der ersten Informationen – in das geplante Lindemann-Center nun doch eine Apotheke einziehen soll. Das Rennen um den lukrativen Standort machte allerdings zunächst eine Konkurrenz-Apotheke. „Da habe ich mir wirklich große Sorgen um meine Zukunft gehabt“, erinnert sie sich. Denn der Apothekerin war sofort klar, dass sich die Kundenströme in das neue Zentrum verlagern würden.

Doch sie hatte Glück. Die Inhaber der Apotheke im Lindencenter haben nach nur einem halben Jahr beschlossen, die Apotheke aufzugeben. 2011 übernahm Francke die Lindemann-Apotheke. Trotzdem habe es etwa zwei Jahre gedauert, bis sich die neue Center-Apotheke etabliert hat. „Zum einen braucht eine Apotheke immer etwas Zeit, um einen Kundenstamm aufzubauen“, erklärt Francke. „Das wurde zusätzlich durch umfangreiche Baumaßnahme an der Lindemannstraße vor dem Zentrum erschwert.“ Nachdem die Bauarbeiten beendet waren, seien die Kundenzahlen ziemlich schnell in die Höhe gegangen.

Während es für die Lindemann-Apotheke immer weiter aufwärts ging, hatte die Brahm-Apotheke immer mehr zu kämpfen. „Auch wenn die Kaufkraft am Starnberger Seevermeintlich hoch ist, funktioniert auch hier nicht alles“, so Francke. Im vergangenen Jahr habe es viele Monate mit roten Zahlen gegeben. „Es hat weh getan zu sehen, wie es mit der Brahms-Apotheke wirtschaftlich immer weiter Berg ab geht.“ Am Ende habe nur der starke Dezember, in dem die Apotheke zum Schluss noch überraschend viel Umsatz machen konnte, die schwarze Null gerettet.

Die wirtschaftliche Schieflage wurde durch Personalschwierigkeiten zusätzlich erschwert. Einige Mitarbeiterinnen seien schwanger geworden und fielen aus. Es sei für das Team schwierig gewesen, die Ausfälle aufzufangen. „Die Belastung war für alle hoch“, räumt Francke ein. Das habe zur weiteren Fluktuation geführt: „Ich hatte das Gefühl, nur noch Personalfeuerwehr zu sein.“ Die junge Apothekerin, die eine dreijährige Tochter hat, rieb sich zunehmend zwischen Familie und ihren Apotheken auf. „Zuletzt hatte ich das Gefühl, dass ich nichts und niemandem mehr gerecht werde“. Deshalb habe sie nach reiflicher Überlegung die „wirtschaftliche, personelle und persönliche“ Entscheidung getroffen, die Brahms-Apotheke zu schließen.

Francke will sich nun auf die Lindemann-Apotheke konzentrieren. Von dem bisherigen Team übernahm sie vier Mitarbeiterinnen. Zwei weitere nahmen die Schließung zum Anlass, ihre Tätigkeit aus Altersgründen zu beenden. „Insgesamt darf ich stolz darauf sein, ein Team von sieben Apothekerinnen, sechs PTA, drei PKA sowie drei Botinnen zu beschäftigen“, so die Apothekerin.

Zudem wurde die Lindemann-Apotheke umgebaut. Im Backoffice wurden drei neue Arbeitsplätze errichtet. „Wir haben viele Bereiche umorganisiert, damit die Wege kürzer werden, als es bisher der Fall war“, so Francke. Auch im Labor sei ein Arbeitsplatz hinzugekommen. Schon bald soll in der Offizin eine fünfte Kasse installiert werden, um die Kundenströme bewältigen zu können. Denn viele Kunden seien aus der Brahms-Apotheke in die Linden-Apotheke mitgekommen.

Auch im Sortiment stehen Veränderungen an. So will die Apothekerin die Freiwahl umgestalten. „Ich mache jedes Jahr eine Analyse der Kundenbedürfnisse“, berichtet Francke. Diese habe ergeben, dass die bisher vorhandene extreme Vielfalt an Kosmetikprodukten überhaupt nicht nötig sei. Sie will sich nun auf das Wesentliche konzentrieren. „Einerseits kann sich der Kunde dann besser orientieren“, begründet sie ihre Entscheidung. Den Mitarbeiterinnen falle es aber auch einfacher, den Überblick zu behalten. „Lieber weniger Produkte, aber dafür bessere Beratungsqualität“, lautet ab sofort die Devise der Lindemann-Apotheke. Gleichzeitig sollen andere OTC-Themenbereiche wie Darmflora, Allergien oder Inkontinenz stärker präsentiert werden.

Francke will außerdem gemeinsam mit dem Team eine Zukunftsstrategie für ihre Apotheke und das Team erarbeiten. Welche Ziele will man gemeinsam erreichen? In welche Richtung würden sich die Mitarbeiterinnen gern entwickeln? Wo sehen sie sich in einigen Jahren? „Ich hatte das schon immer vor“, gibt die Apothekerin zu. „Das Vorhaben ist im aufreibenden Alltag aber leider verlorengegangen.“ Jetzt sei die Zeit dafür reif.