Lieferengpässe

Keine Angst vor Einzelimporten

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Berlin -

Einzelimporte gibt es schon seit den 70er-Jahren – erlaubt wurden sie, damit Gastarbeiter sich nicht umgewöhnen mussten. „Heute brauchen wir sie, um Lücken zu stopfen“, so Nadine Tröbitscher, Chefredakteurin von PTA in LOVE, in ihren einleitenden Worten zum APOTHEKE ADHOC Webinar „Lieferengpässe: Rettungsanker Einzelimporte“. Über die Besonderheiten und Fallstricke sprach sie mit Julia Becker und Maximilian Reh vom Verband der Einzelimporteure internationaler Arzneimittel (VEIA).

Das ist der Unterschied zwischen Parallel- und Einzelimporten:

  • Parallelimport: kostenorientierte Maßnahme, in Deutschland zugelassenes oder registriertes Arzneimittel mit PZN
  • Einzelimport: individuelle Maßnahme, aus der Not heraus, um Therapielücke schließen, nicht in Deutschland zugelassen oder registriert (also nicht verfügbar), sondern im Herkunftsland, keine PZN

Die Nachfrage nach innovativen Arzneimitteln, die in Deutschland noch nicht zugelassen oder nur sehr schwer zu bekommen sind, habe sich nicht verändert, berichtete Reh. „Aber im letzten halben Jahr beherrschen die gängigen Arzneimittel das Tagesgeschäft.“ Als Beispiele nannte der Apotheker Fiebersäfte und Antibiotika. In den letzten Monaten hätten die Mitgliedsunternehmen insgesamt 100.000 Packungen beschaffen können.

Brauche ich immer ein Rezept?

Um von der Option eines Einzelimportes Gebrauch machen zu können, müssen drei Kriterien erfüllt sein: Das Arzneimittel darf nicht in Deuschland verfügbar sein, es muss im Herkunftsland zugelassen oder registriert sein und der Import erfolgt für eine einzelne Person. Es sei dabei nicht immer ein Rezept notwendig, so Becker. Bei Einzelimporten aus EU-Ländern gelte immer die deutsche Einstufung, lediglich Arzneimittel aus Drittstaaten (USA, Kanada, Schweiz usw.) werden immer als rezeptpflichtig eingestuft, erklärte die PTA.

Natascha Richter, PKA bei „Die starken Apotheken“, berichtete über den Ablauf in der Apotheke: Wenn ein Rezept oder eine Nachfrage zu einem nicht lieferbaren Arzneimittel ankomme, würden zuerst die Einzelimporteure angefragt. Dann würden der Preis kalkuliert und die Lieferzeit abgefragt. Nach Rücksprache mit Kunde oder Kundin werde dann entweder eine Genehmigung beantragt oder das Arzneimittel direkt bestellt. Bei der Lieferung erfolge die weitere Dokumentation und Abgabe an den Patienten oder die Patientin.

Einige Krankenkassen verzichten aktuell auf die Genehmigungen der Importe. Sonst werden häufig drei Preisanfragen verlangt, so Becker, das könne aber von Krankenkasse zu Krankenkasse unterschiedlich sein: „Manchmal reichen drei Angebote von einem Einzelimporteur, manchmal müssen drei unterschiedliche Importeure angefragt werden“, sagt sie.

Haftung bei Transport oder Fälschung

Während des Transportes haften die Einzelimporteure für die richtige Lagerung der Arzneimittel, das gilt auch für kühlkettenpflichtige Präparate. Die Haftung der Apotheke beginne erst, sobald das Arzneimittel vor Ort sei, so Reh. Sollten Patient:innen dann die Qualität bemängeln, sei dementsprechend die Apotheke verantwortlich.

Im Falle einer Fälschung haften die Einzelimporteure, „bisher ist uns aber kein Fall bekannt, nur wenige Verdachtsfälle“, so Reh. Es werde nur mit zertifizierten Herstellern zusammengearbeitet. Auch die Einzelimporteure haben mit unzähligen Lieferausfällen zu tun, haben aber deutlich mehr Abfragemöglichkeiten. „Die VEIA-Mitglieder helfen sich auch gegenseitig aus“, so Reh, man könne also bei allen Einzelimporteuren alles bestellen. Das Verzeichnis der Mitglieder ist auf der VEIA-Website zu finden.

Das unternehmerische Risiko

Apotheken sehen in Einzelimporten zusätzlich ein unternehmerisches Risiko: Was ist, wenn die Patient:innen die Ware auf einmal nicht mehr wollen oder das Präparat bei Lieferung doch wieder in Deutschland verfügbar ist?

Becker empfiehlt, bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln erst bei vorliegendem Rezept eine Bestellung zu tätigen und definitiv vorab eine Genehmigung bei der Krankenkasse einzuholen. „Eventuell kann man den Kunden oder die Kundin auch eine Anzahlung leisten lassen, damit der Ansporn höher ist, es abzuholen und im Zweifelsfall zumindest der Schaden für die Apotheke begrenzt ist.“ Richter erzählt, dass bei Privatkäufen in Ihren Apotheken die Patient:innen vorab schon den Einkaufspreis und das Porto bezahlen müssen.

Eine Stornierung der Bestellung oder eine Retoure sind bei Einzelimporten nämlich nicht möglich, „auch die Einzelimporteure haben meist keine Möglichkeit, die Ware an den Hersteller zu retournieren“, so Reh. Nachfragen könne man aber trotzdem immer.

Zur Verfügbarkeit sagt Becker Folgendes: „Wenn zum Zeitpunkt der Bestellung nichts lieferbar ist, ist der Import rechtens“. Auch wenn das Fertigarzneimittel schon wieder lieferbar sei, wenn der Import eintreffe, dürfe dieser abgegeben werden.

Defektnachweise per Telefon

Wichtig für die Dokumentation sind die Preisabfragen, Genehmigungen der Krankenkasse und bei Lieferengpässen zusätzlich auch Defektnachweise. Am besten gebe der Hersteller zwar per Mail darüber Auskunft, sonst könne aber auch das Telefonat dokumentiert werden, so Reh. Dann sollten der Name des Mitarbeiters beim Hersteller inklusive erteilter Auskunft aufgeschrieben und in der Apotheke mit Datum abgezeichnet werden. Die Defektnachweise der Großhändler ließen sich in der Regel auch direkt ausdrucken, ergänzt Richter.

Bestellt werden darf nur bei Vorlage eines Rezepts, nur in Sachsen wurde zuletzt auch die Bestellung geringer Mengen auf Vorrat erlaubt. Dass sich die Einzelimporteure selbst bevorrateten, sei nicht wirklich möglich, so Reh: Bei EU-Ware sei das nicht vorgesehen und bei Ware aus Drittstaaten sei es nur sehr begrenzt möglich. „Aktuell ist es sowieso so, dass die Ware schon vergriffen ist, bevor sie überhaupt bei den Einzelimporteuren ankommt“, erzählt er.

Wenn der Prozess der Genehmigung zu lange dauere, könnte Patient:innen auch angeboten werden, erstmal in Vorkasse zu gehen und es dann zu verrechnen, wenn die Genehmigung da ist. Einzelimporte seien zwar teurer, das liege unter anderem daran, dass Arzneimittel im Ausland häufig generell teurer seien, so Becker. Die Preisbildung für verschreibungspflichtige Arzneimittel müsse aber auch bei Einzelimporten der Arzneimittelpreisverordnung entsprechen.

Die Beschaffungskosten kommen noch hinzu, deshalb sollten diese bei der Genehmigung mit angegeben werden, damit die Krankenkasse diese auch übernimmt.

Einzelimporte als Chance

Einzelimporte seien definitiv ein Alleinstellungsmerkmal für eine Apotheke, so Reh. Es sei eine Chance für die Apotheke vor Ort, sich von den Versendern abzuheben. Auch Richter berichtete von zufriedenen Kund:innen, die wiederkommen und es auch weitererzählen.

Auch die Vorratshaltung in den Apotheken sei schwierig, was Einzelimporte angeht, im Zweifelsfall solle beim Pharmazierat oder der Kammer angefragt werden, ob schon vorab importiert werden darf, um der Vorratshaltung laut Apothekenbetriebsordnung gerecht zu werden.

Kommunikation ist das A und O

Die Lieferzeiten sind laut Becker schwer zu pauschalisieren, „in der Regel sind es vier bis 15 Arbeitstage“, sagt sie, durch Kontingentierung im Ausland, erforderliche Genehmigungen oder den Zoll könne es aber auch länger dauern.

Bei der Anfrage sollten Apotheken auch darauf achten, Lieferzeiten zu kommunizieren, so Reh. Meistens gebe es verschiedene Anbieter, „bei einer Erstversorgung kann es wichtiger sein, schneller zu versorgen, dafür aber zu einem höheren Preis – bei Folgeverordnungen können auch günstigere Angebote ausgewählt werden, weil die Lieferzeit dementsprechend länger sein kann“, erklärt er.

Wichtige Angaben auf dem Rezept, für das ein Einzelimport bestellt werden solle, seien die eindeutige Verordnung des Wirkstoffes, die Stückzahl, die Stärke und die Darreichungsform.

Bei entsprechenden Abweichungen aufgrund von Nichtverfügbarkeit könne ein neues Rezept fällig werden. Es könnten auch mehrere Packungen verordnet sein, laut § 73 Absatz 3 Arzneimittelgesetz (AMG) sei entscheidend, dass der Einzelimport für eine einzelne Person erfolgt. Am besten werde für das zu importierende Arzneimittel ein separates Rezept ausgestellt. Der Import von Rezeptursubstanzen sei nicht geregelt, es gehe dabei ausschließlich um Fertigarzneimittel.

Die Verfügbarkeiten bei den Einzelimporteuren müssten in der Regel telefonisch abgefragt werden, das habe verschiedene Gründe: Verfügbarkeitsanzeigen seien schwierig, da laut Heilmittelwerbegesetz die Werbung für Arzneimittel aus dem Ausland nur in sehr engen Bahnen erlaubt sei, so Reh. „Auch ist meistens deutlich mehr möglich, als auf einen Blick zu erfassen ist“, so Becker. Generell gilt für Einzelimporte: Anrufen, nachfragen und lieber zu viel dokumentieren als zu wenig!

Das komplette Webinar zum Anschauen on demand gibt es hier.

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