Kein Rückruf auf Patientenebene Nadine Tröbitscher, 12.07.2018 10:19 Uhr
Eine Woche ist es nun her, dass die Rückrufwelle für Valsartan ins Rollen kam. Ihren höchsten Punkt hat sie scheinbar überschritten, denn der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) liegen derzeit „keine weiteren Chargenrückrufe anderer Zulassungsinhaber Valsartan-haltiger Arzneimittel vor“. Das Thema ebbt ab, bis die zuständigen Behörden und Hersteller erste Ergebnisse liefern. Patienten sollen weiterhin nicht informiert werden.
Valsartan-haltige Arzneimittel, deren Wirkstoff vom chinesischen Unternehmen Zhejiang Huahai Pharmaceutical produziert wurde, sind vom Rückruf betroffen. Ursache ist laut AMK eine synthesebedingte, bisher nicht bekannte Verunreinigung des Wirkstoffes mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA). Ein Wechsel des Herstellungsprozesses im Juli 2012 könnte die von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation WHO als möglicherweise krebserregend eingestufte Verunreinigung hervorgerufen haben.
Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) besteht derzeit kein akutes Patientenrisiko. Die Rückrufe erfolgen daher vorsorglich. Laut AMK ist ein Rückruf der betroffenen Arzneimittel auf Patientenebene derzeit nicht vorgesehen. Patienten sollten die Arzneimittel nicht ohne ärztlichen Rat absetzen, das damit verbundene gesundheitliche Risiko sei größer als bei Einnahme der zurückgerufenen Arzneimittel. Patienten könnten auch dosisäquivalent auf ein anderes Sartan umgestellt werden, schreibt die AMK, jedoch könne eine diesbezügliche Empfehlung derzeit nicht gegeben werden. Eine Liste der nicht betroffenen Fertigarzneimittel werde nicht veröffentlicht: „Nach Abschluss aller Rückrufe sollte sich diese im Umkehrschluss ergeben.“
Man erwarte in Kürze die Ergebnisse umfangreicher analytischer Aufklärungen. Zuständig seien das European Directorate of the Quality of Medicines and HealthCare (EDQM) in Bezug auf den Wirkstoff und die Hersteller in Bezug auf das Fertigarzneimittel. Die Prüfungen sollen unter anderem ergeben, ob beziehungsweise wie viel NDMA im Fertigarzneimittel enthalten ist.
Der Präsident des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg und Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Fritz Becker, sieht die Hersteller und die Politik in der Pflicht: „Bei allem Verständnis, dass überall auch mal Fehler passieren können: Ich frage mich schon, wie es sein kann, dass in rund 20 Herstellerbetrieben, die Valsartan-haltige Arzneimittel produzieren und die offenbar den gleichen Wirkstofflieferanten haben, nirgends eine solche Verunreinigung im Rahmen der Qualitätskontrolle aufgefallen ist.“ Trotz Sparmaßnahmen und wirtschaftlichem Druck könne und dürfe man sich keine Nachlässigkeiten in Bezug auf die Arzneimittelqualität erlauben.
Hersteller dürften sich nicht auf Zertifikate verlassen, die irgendwo in der Welt ausgestellt wurden „und die die Qualität der Wirk- oder Ausgangsstoffe für unsere Arzneimittel verbriefen sollen“. Becker: „So etwas, wie derzeit, darf nicht noch einmal passieren. Hier sind jetzt klar und eindeutig die Hersteller gefordert, in einer Art Qualitätsoffensive das Vertrauen in ihre Produkte wieder herzustellen“, sagt Becker.
Einen Appell richtet Becker auch an die Gesetzgeber. Die deutsche und europäische Politik müsse Rahmenbedingungen schaffen, damit die Wirkstoffherstellung wieder in Europa unter europäischen Standards stattfinde. Aktuell kämen vier von fünf Wirkstoffen aus Indien oder China. „In Asien hergestellt, in Ungarn oder Rumänien verpackt, in Malta kontrolliert und zum Schluss nach Deutschland transportiert – solche globalen Wege sind für Arzneimittel längst keine Ausnahme mehr. Dass das der Qualität wenig zuträglich ist, dürfte klar sein.“